JOHNNY BOB - Keine Märchenonkel mehr

9. April 2024

Johnny Bob

JOHNNY BOB - Keine Märchenonkel mehr

Das Hamburger Quintett hat auf seinen bisherigen vier Alben stets den Progressive Rock mit Indie Rock und einfacheren Songstrukturen verbunden und so eine moderne und frische Variante des Prog erschaffen. Das ist auch auf dem fünften Album „The Glass Hotel Tapes“ so. Es erzählt eine mysteriöse Geschichte mit politischem und klimatologischem Hintergrund.

Johnny Bob bestehen aus den beiden Brüder Carsten Díaz (Gesang) und Jörg Purfürst (Bass, Keyboards, Gitarre) sowie dem Gitarristen Jürgen Ufer, dem Schlagzeuger Philip Mestwerdt und dem Keyboarder Ole Schützler. Ihr neues Album „The Glass Hotel Tapes“ ist ein Konzeptalbum um folgende Geschichte: Das Kyoto-Protokoll ist ein Ende 1997 beschlossenes Zusatzprotokoll zur Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. 2001 lehnten die USA die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls ab. Nur einen Tag nach diesem Ausstieg der USA beschließt Sofie Conrad, die zur US-Delegation gehört, die Welt zu retten. Sie hängt ihren Job an den Nagel, verlässt die USA, quartiert sich in einem Berliner Hotel ein, dem „Glass Hotel“, verlässt ihr Zimmer nicht mehr und verschwindet nach drei Tagen spurlos. In ihrem Zimmer findet man Grafiken, Texte und Tonbandaufzeichnen. Im Interview äußern sich Díaz und Purfürst zur Geschichte der Sofie Conrad, der Entstehung des Albums und zur Zukunft von Johnny Bob. 

eclipsed: Ist die Geschichte der Sofie Conrad, die ihr auf eurem neuen Album erzählt, wahr oder eine Fiktion?

Carsten Díaz: Natürlich stimmt die Geschichte (schmunzelt leicht ironisch). Du kannst ja mal recherchieren. Ich weiß nicht, was du da findest. Fakt ist, dass wir diesen seltsamen Hinweis auf einer Zigarettenschachtel fanden und dem gegenüber erst mal gar keine Aufmerksamkeit an den Tag gelegt haben. Dann habe ich ein bisschen recherchiert und nichts gefunden. Daher dachte ich auch, dass das alles gar nicht wahr ist – und wir wurden eines Besseren belehrt. Wenn man sich die Platte anhört und ein bisschen tiefer in die Texte eintaucht, dann findet man den Kern dieser Wahrheit. Es bleibt aber mysteriös.

eclipsed: Egal, ob die Geschichte nun stimmt oder nicht. Ist die Story auf dem Album nicht auch eine Botschaft von euch, dass wir alle etwas gegen den Klimawandel tun müssen?

Díaz: Diese Botschaft gibt es sicherlich. Was Johnny Bob aber nicht tut: Wir gehen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger durch die Weltgeschichte, sondern wir haben gern auch einen doppelten Boden in unseren Texten und in unserer Message. Wir sind ja nicht mehr die Märchenonkel der ersten beiden Platten. Das waren wir eigentlich auch nie. Wenn man sich mal einen Song anhört wie „Fjodor & The Watergiant“ [das Titelstück des zweiten Albums von 2019; Anm.], dann ist das in erster Linie ein Kindermärchen, aber in zweiter Linie ist es gar nicht schwer herauszuhören, dass es um Deportationen geht. Damals war gar nicht abzusehen, dass solche Themen wieder durch unsere Zeitgeschichte geistern. Da merkt man dann schon, dass da ein doppelter Boden drin ist. Und das ist sicherlich bei allen Texten hier von „The Glass Hotel Tapes“ der Fall, um dieser Geschichte noch mehr Raum zu geben. Sonst wäre das Kyoto-Protokoll nicht erwähnt worden. Wir gehen jetzt aber nicht um die Welt und singen von Elektroautos.

eclipsed: Es ist ein Zeichen, dass die ganze Welt doch ein immenses Problem hat, und man kann auf verschiedene Arten darauf hinweisen.

Díaz: Ganz genau, es ist Viertel vor zwölf. Das weiß jeder. Diese Platte sagt jetzt nicht: „Leute passt auf, es ist Viertel vor zwölf“, sondern zeigt halt auf, dass der Schlüssel zur Veränderung nun mal die Erkenntnis ist. Das ist ein ganz wichtiges Leitthema dieser Platte. Ohne die Erkenntnis verändern sich die Dinge nicht. Das eine ist, was die Menschen hören, das andere ist, was zu einer Erkenntnis führt. Das ist der ganz entscheidende Schritt. Wir hoffen, mit dieser Platten einen Beitrag zu leisten in unterhaltsamer Art und Weise, damit die Erkenntnis eintritt.

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