eclipsed Nr. 139 / 4-2012

DEEP PURPLE
Swiss time was running out

Als sie vor vierzig Jahren „Machine Head“ aufnahmen, war dies ein außergewöhnlicher Kraftakt für die britischen Hardrocker. Ihr Management hetzte sie Anfang der Siebziger um den Globus, von Tournee zu Tournee. Auch setzten interne Grabenkämpfe der Band gehörig zu. Zu alldem kam noch ein beispielloses Chaos am Aufnahmeort im schweizerischen Montreux. Doch am Ende stand sie, die legendäre sechste Platte von Deep Purple.

JETHRO TULL
Hochkreativer Zerfallsprozess einer Band

43 Jahre, und das war’s? Offensichtlich wissen die Hauptakteure Ian Anderson und Martin Barre selbst nicht, was aus Jethro Tull wird. Aber die Spekulationen, dass das Konzert am 31. Juli 2011 in München ihr letzter gemeinsamer Auftritt gewesen sein könnte, reißen nicht ab. Tatsache ist: Das neue Album „Thick As A Brick 2“ als auch die im April beginnende Welttournee laufen unter „Jethro Tull’s Ian Anderson“. Derweil hat Barre die Tull-Coverband New Day gegründet.

BRUCE SPRINGSTEEN
Der Wutrocker

Bruce Springsteen sagt, was er denkt, auch wenn das einigen seiner fellow Americans nicht in den Kram passt. Jüngstes Beispiel: sein inzwischen siebzehntes Studioalbum „Wrecking Ball“, auf dem sich der Mann so richtig Luft macht, zum musikalischen Rundumschlag ausholt und den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft kräftig den Kopf wäscht.

THE MARS VOLTA
Alle Wege führen nach Deutschland

Alles wieder neu. The Mars Volta ziehen einen Schlussstrich unter ihre siedenden Latin-Prog-Eskapaden, die sie bislang mit aller Hingabe zelebrierten. Auf ihrer sechsten Studioeinspielung „Noctourniquet“ finden sie zu einer unvermutet abgeklärten Synthese aus Lebenserfahrung und Klangphilosophie. Und zu der Erkenntnis, dass die Wiege der modernen Rockmusik in Deutschland stand.

DIE GESCHICHTE DES PROGRESSIVE ROCK,
TEIL 9 FRANKREICH

Auch in Frankreich gibt es seit den Siebzigern viele, viele interessante Bands, die sich progressivem Rock in all seinen Spielarten verschrieben haben. Den französischen Prog unter einen Hut zu bekommen, ist jedoch ein schwieriges Unterfangen. Vor allem die Vertreter des Symphonic Prog lassen sich nur schwer als Einheit oder Szene begreifen. Wir haben daher die verschiedenen Pfade beschritten und fanden dabei nicht nur die Hauptstadt des Zeuhl.

VAN HALEN
Whole lotta Shakespeare goin’ on

Die Helden der Achtziger wollen es noch mal wissen: „A Different Kind Of Truth“ ist nicht nur das erste Van-Halen-Album seit vierzehn Jahren, sondern auch das Comeback der Originalbesetzung. Sprich: mit Sänger David Lee Roth, der die Band 1985 verlassen hatte, um eine Solokarriere zu starten. Jetzt will die US-Erfolgstruppe wieder perfektes Rockentertainment abliefern – versteht sie sich doch als Klassiker der Marke Shakespeare.

THROBBING GRISTLE
Arbeitsame Schockschwerenöter

Eine der kontroversesten Bands der Rockgeschichte hat jetzt fünf Alben ihres Backkatalogs in remasterter Fassung mit reichlich Bonusmaterial wiederveröffentlicht. Höchste Zeit für eine Geschichtsstunde. Und für eine Lektion darin, wie weit Künstler Grenzen verschieben können – und dürfen.

RPWL
Ich denke, also hör’ ich

„Beyond Man And Time“ ist der Titel der neuen Studioeinspielung von RPWL. Es ist ihr erstes Konzeptalbum. Mit diesem verfolgt die Freisinger Artrockband ein hehres Ziel: den Hörern nicht nur ein akustisches Vergnügen zu bereiten, sondern diese auch für eine neue Denkkultur zu begeistern.

STEVE HOGARTH & RICHARD BARBIERI
Die flauschige Wolke der Dunkelheit

Hier ist zusammengewachsen, was zusammengehört: Marillions extrovertierter Frontmann Steve Hogarth und Porcupine Trees scheuer Tastenvirtuose Richard Barbieri verlieren sich auf dem gemeinsamen Projekt „Not The Weapon But The Hand“ in sinistren Klangwelten – eine Kooperation, die diese so unterschiedlichen Charaktere seit Jahren angepeilt hatten. Zusammen schwelgen sie jetzt in satten Molltönen.

Weiter im Text! Kultige Songs und ihre Bedeutung 
LOU REED – WALK ON THE WILD SIDE

Am 2. März ist Lewis Allan Reed 70 Jahre alt geworden. Zeit seines Lebens hat sich der knorrige, oft unleidliche Musiker von Halbweltgestalten fasziniert gezeigt. Genauso wie von Freaks, Drop-Outs und Paradiesvögeln. Ihnen hat er mit „Walk On The Wild Side“ ein Denkmal gesetzt – und seiner Zeit in Andy Warhols berüchtigter Factory.

Einkaufszettel AMON DÜÜL II
Das Freak-Prinzip

1967 fand sich in München die Künstlerkommune Amon Düül zusammen – im selben Jahr, in dem die Kommune I ihren Marsch durch die medialen Institutionen antrat. Ähnlich wie der Berliner Haufen um Fritz Teufel und Rainer Langhans hatten auch Teile der Münchener Kommunarden den gesellschafts- und kulturpolitischen Umsturz im Sinn. Neben direkten politischen Aktionen wollten sie diesen auf dem Gebiet der Musik und Happenings vollziehen. Ein Jahr später hatte sich der Freakverbund gespalten: in Amon Düül, die sich in Richtung Berlin und letztlich in die Bedeutungslosigkeit verabschiedeten, und Amon Düül II, die zunächst in München blieben und den Revolutionsimpuls zugunsten der Musik unterdrückten. Der ADII-Kerntrupp bestand aus Gitarrist/Violinist Chris Karrer, Gitarrist John Weinzierl, Keyboarder Falk U. Rogner, Schlagzeuger Peter Leopold und Sängerin Renate „Henriette Krötenschwanz“ Knaup, zu der sich als wichtige Musiker später u. a. noch Bassist Lothar Meid und Drummer Daniel Fichelscher sowie Produzent/Saxofonist Olaf Kübler gesellten. Bereits mit ihrem Debüt „Phallus Dei“ hatten sich die Hippies bei Psychedelic-Kreisen – auch international – Gehör verschafft. Mit Alben wie „Yeti“ oder „Wolf City“ zeigten sie, dass sie neben Can, Popol Vuh und Faust zu den wichtigsten Vertretern der neuen Musik aus Deutschland, des Krautrock, gehörten. Ein Nimbus, von dem die noch sporadisch auftretende Gruppe, nach wie vor zehrt.