ALCEST machen sich auf den Weg ins mythologische Theben

29. Oktober 2019

Alcest

ALCEST machen sich auf den Weg ins mythologische Theben

Im alten Ägypten diente die Sphinx als Ehrenmal für Pharaonen, die Hethiter verehrten sie als Torwächter, in südostasiatischen Kulturen hat sie Beschützerfunktion. In der griechischen Mythologie dagegen wird sie zum Todesdämon. Und nun prangt sie als zentrales Artwork-Element auf dem sechsten Album Alcests, „Spiritual Instinct“. Es ist gerade die Ambivalenz der Figur, die Band-Mastermind Stéphane „Neige“ Paut so fasziniert. „Sie hat ein sehr schönes Gesicht und elegante Flügel, aber besitzt auch Krallen und animalische Elemente. Darin finde ich mich selbst wieder“, sinniert er. „Einerseits ist man dieses spirituelle Wesen, das nach Höherem strebt. Andererseits ist man auch einfach nur ein Tier mit Urinstinkten, das wütend, ängstlich und oft sehr düster ist.“ Damit liefert er die Charakterisierung seiner Musik gleich mit. Schon immer zeichneten sich Alcest durch die Verknüpfung scheinbarer Gegensätze aus. Auf „Spiritual Instinct“ fusionieren „Neige“ und sein Drummer „Winterhalter“ gelöste Pop-Melodien und Shoegaze-Gewaber mit der kathartischen Wut und Furcht atmosphärischen Black Metals zu im Ergebnis durchweg lebensbejahender Kunst – mit transzendenter Ebene.

In der Tradition französischer Symbolisten, die sie Ende des 19. Jahrhunderts in ihren Werken auferstehen ließen, sieht „Neige“ die Sphinx auch als Sinnbild für die großen Fragen des Lebens und damit für Spiritualität. Auf dem Album stellt der Musiker diese Fragen – an Antworten ist er nur bedingt interessiert: „Manchmal ist der Weg das Ziel. Sich die Fragen überhaupt erst zu stellen, finde ich wichtiger, als jemals eine echte Antwort darauf zu erhalten. Haben wir eine Seele? Was ist der Sinn des Lebens? Diese Fragen machen Leuten Angst, doch ich beschäftige mich seit jeher damit und versuche, daran zu wachsen, an jedem Tag ein bisschen besser zu werden, sowohl für mich als auch für andere. Man startet aus dem absoluten Nichts heraus, stellt sich selbst Fragen und geht auf die Suche.“ Der Ansatz spiegelt „Neiges“ Verständnis von Songwriting wider: „Es ist schon irgendwie magisch, wenn man bei null anfängt, etwas zu erschaffen, und plötzlich werden Stück für Stück kleine Songs daraus, obwohl man nicht einmal genau weiß, woher das alles kommt.“ Die kreative Phase bezeichnet der 34-Jährige als „heilig“. Er taucht gewissermaßen in eine andere Welt ein. „Ich versuche immer, eine Verbindung zu mir selbst und meinen tieferen Gefühlen aufzubauen. Wenn du Musik schreibst, darf es kein Business, keine persönlichen Vorlieben oder Ähnliches geben. Alles, was dich zwingt oder belastet, sollte vor der Tür bleiben.“ ...

Lest mehr im aktuellen Heft ...