DIETER DIERKS - Teil 2 des Exklusiv-Interviews mit der Produzenten-Legende

31. Juli 2021

Dieter Dierks

DIETER DIERKS - Teil 2 des Exklusiv-Interviews mit der Produzenten-Legende

Eigentlich lässt Dieter Dierks sich nicht gern in die Noten schauen, aber für eclipsed machte der große deutsche Produzent eine Ausnahme. Der gelernte Schauspieler, der lange als der „sechste Scorpion“ galt, spricht im zweiten Teil unseres großen Interviews über Klaus Meines Stimme, sein Treffen mit Billy Joel, Trinkgelage mit Rory Gallagher, seine Erfindungen und einen Traum.

eclipsed: Dieter, was schätzt du an Scorpions-Sänger Klaus Meine?

Dieter Dierks: Klaus ist ein Top-Sänger mit einer unverkennbaren Stimme. Wenn man einen Scorpions-Song im Radio hört, den man nicht kennt, weiß man ab dem ersten Ton, das sind die Scorpions. Die Stimme von Klaus ist so prägnant wie beispielsweise die von Freddie Mercury, Rod Stewart und so weiter. Die Arbeitsweise mit Klaus hat mir mega Spaß gemacht. Er ist genauso so ein Workaholic und Perfektionist wie ich und feilt und feilt und gibt erst auf, wenn absolut nichts mehr drin ist. Dazu kann ich eine schöne Geschichte erzählen. Der Song „Still Loving You“ beginnt mit der Zeile „Time, it needs time to win back your love again“. Wenn man sich das bewusst anhört, wird man merken, dass jeder Ton einen anderen Charakter hat, mal aufgewühlt, mal verhalten, immer voller Farben. Ich bin ausgebildeter Schauspieler. Das ist für mich sehr hilfreich. Mit einem Sänger arbeite ich wie mit einem Schauspieler. Die Fans spüren, ob jemand einen Text nur singt oder ihn auch empfindet. Klaus ist hochemotional und sehr sensibel. Er würde niemals nur abliefern.

eclipsed: Wie hast du das Beste aus ihm herausgeholt?

Dierks: Habe ich das?:-) Wir hatten manchmal unheimlich viele Stunden gekloppt. Um ein Uhr nachts sagte ich einmal zu ihm: „Klaus, du kriegst es noch besser hin!“ Da flippte er aus und stand mit weißem Gesicht vor mir, als wollte er mich erwürgen: „Ich bringe dich um! Du bist ja nie zufrieden!“ In dem Moment ging die Tür auf und Rudolfs Kopf war für einen Moment zu sehen, checkte die Situation und war sofort wieder verschwunden. Vielleicht war das ein „touch too much“. Auf jeden Fall war Klaus an dem Abend nicht mehr ansprechbar. Ich sagte: „Wir hören es uns am besten morgen noch mal an.“ Als ich am nächsten Morgen fragte: „Na Klaus, möchtest du es noch mal hören?“, antwortete er: „Nein, lass mal. Ich singe es direkt neu.“ Das Gute war, er hatte das, was ich vorher am Abend mit ihm erarbeitet hatte, über Nacht verinnerlicht, so dass er jetzt mit seinem persönlichen „Feeling“ rüber kam. Er hat dann den Song fast in einem Stück durchgesungen, so wie er auf der Platte ist. 

eclipsed: Ist es wahr, dass du Scorpions-Drummer Herman Rarebell einmal so lange hast spielen lassen, bis er hinter seinem Schlagzeug einschlief?

Dierks: Das war bei dem Song „The Zoo“ in Studio 2. Ich stand am Regiefenster, und Herman spielte im Schlagzeugraum, wo ich ihn nicht sehen konnte. Hinter mir im Aufnahmeraum saßen Klaus, Francis, Rudolf und Matthias. Ich liebte es immer, wenn die Musiker direkt neben mir im Regie-Raum saßen und spielten, sodass ich optimalen Kontakt zu ihnen hatte. Beim ungefähr hundertsten Mal sagte ich zu Herman: „Ich glaube, wir haben es endlich drin. Komm mal rein!“ Stille. Ich dachte, er sei einfach abgehauen, und wurde stinkig. Als ich dann rüber ins Studio ging, sah ich, dass Herman von seinem Hocker gefallen war, den Kopf an die Wand gelehnt. Er war einfach nur noch fertig! 

eclipsed: Angeblich wollte er „The Zoo“ gar nicht spielen ...

Dierks: Es war das einzige Mal, dass wir Streit hatten. Herman ist eigentlich ein herzensguter Mensch, wir verstehen uns blendend, aber an dem Tag sagte er zu mir, „The Zoo“ solle nicht auf die Platte kommen. „Herman, das ist ein wahnsinnig wichtiger Song! Die letzte Entscheidung habe ich, der Titel kommt drauf!“ Die Scorpions spielen diesen Klassiker heute noch bei jedem ihrer Konzerte ... 

eclipsed: Was ist das Besondere an „The Zoo“?

Dierks: Der Song handelt von einer Straße in New York City. Ich bin damals extra rübergeflogen und mit einem Walkman durch die 42nd Street, auch Zoo genannt, in Manhattan, gegangen, wo ich laufend von Dealern angesprochen wurde: „Cocaine!“, „Hash!“, „Drugs!“ Das habe ich heimlich aufgenommen, aber einer der Dealer hat das mitgekriegt. Bis dahin wusste ich nicht, dass ich so schnell laufen kann! Das Ganze ist ganz leise in der Auslaufrille des „Animal Magnetism“-Albums zu hören ...

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