50 Jahre ist es her, dass „L.A. Woman“ veröffentlicht wurde. Anlässlich des runden Jubiläums, zu dem ein Boxset mit dem neu gemasterten Album inklusive zahlreicher Outtakes erschienen ist, sprachen wir mit Doors-Drummer John Densmore u. a. über Gesangsaufnahmen im Badezimmer und einen leicht außer Kontrolle geratenden Sänger, der sich dabei gleichwohl zu beherrschen wusste.
Bei einer Party in Los Angeles schlug die betrunkene Janis Joplin dem ebenfalls alkoholisierten Jim Morrison eine Flasche Southern Comfort über den Schädel. So ist es in John Densmores neuem Buch „Music Lovers“ nachzulesen. Wenn der ehemalige Drummer der Doors über diese Legenden schreibt, die beide nur 27 Jahre alt wurden, entsteht vor den Augen der Leser das Bild zweier irrlichternder Genies, die unkontrollierbar durchs Leben taumelten. Wieso haben manche Künstlerinnen und Künstler eine ausgeprägte Neigung zur Selbstzerstörung? „Vielleicht sind einige von ihnen einfach zu empfindlich“, vermutet Densmore. „Es ist schwer für sie, auf der Welt zu sein, und deshalb müssen sie sich selbst mit Medikamenten behandeln.“
Auch John Densmore hat vieles ausprobiert, aber er war dabei immer vorsichtig, deshalb ist der Weg des bald 77-jährigen Kaliforniers auch viel länger als der des viel zu jung verstorbenen Sängers seiner ehemaligen Band. „Mir hat alles als Nahrung gedient, Musik und Filme“, erinnert er sich. „Wir haben mit LSD experimentiert, das damals legal war – eine starke Medizin und eine Art Erschütterung für das Nervensystem. Es dauerte ein paar Tage, bis man sich davon erholt hatte.“
Ein Kamikaze-Trinker
Obwohl Morrison ein „Kamikaze-Trinker“ gewesen sei, habe er interessanterweise die Fähigkeit gehabt, trotzdem beim Singen sein Bestes zu geben: Intuitiv habe er wohl gewusst, wie wichtig dies war, da die Musik für eine lange Zeit aufbewahrt werden würde, sodass man es besser richtig machen sollte: „Jim hat sich immer den Anforderungen der Studioaufnahmen gestellt, besonders bei ‚L.A. Woman‘. Nur ab und zu mussten wir nach Hause gehen, weil er neben der Spur war. ‚L.A. Woman‘ setzten wir mit Toningenieur Bruce Botnick um, weil wir das Gefühl hatten, dass wir mehr Kontrolle brauchten. Paul Rothchild, unser langjähriger Produzent, war großartig und brachte uns viel bei. Aber irgendwann hatte er die Nase voll von Jims Drogenmissbrauch.“
Als Rothchild ihnen mitteilte, er wolle ihr nächstes Album nicht produzieren, fühlten sich die vier Doors-Musiker vor den Kopf gestoßen, da sich der Produzent wenig begeistert von ihrem neuen Material zeigte: „Riders On The Storm“ klinge wie Cocktailmusik. Doch kurz darauf ermutigte ihr Soundmann sie, es einmal anders anzugehen – und zwar direkt in ihrem beengten, Workshop genannten Proberaum am Santa Monica Boulevard, in dem sich vorher ein Antiquitätengeschäft befunden hatte. Hier hätten sie nicht nur mehr Kontrolle, sondern würden auch entspannter sein.
Aus der Tiefe des Raumes
Der experimentierfreudige Botnick hatte die Idee, das Badezimmer zur Gesangskabine für Jim Morrison umzugestalten. Dieser ungewöhnliche Ort wurde gewählt, weil die Gruppe sich die Kosten für ein professionelles Studio sparen wollte und eine Zeit lang sogar daran dachte, das Album in Robby Kriegers mit Hyazinthen dekoriertem Strandhaus aufzunehmen. So sang Jim, seinen Ruf als Sexsymbol konterkarierend, seine Parts in der Proberaumtoilette ein, da man „den Sänger immer vom Rest der Band trennen“ müsse, „falls man den Gesang später neu aufnehmen“ wolle, wie Densmore erklärte. „Wir legten die Kabel einfach dort hinein, und es funktionierte. Wir hatten also bei allen Songs auf ‚L.A. Woman‘ ein natürliches Badezimmerecho. Normalerweise macht man das in einer gepolsterten Kabine.“