Schon unter seinem Pseudonym Johnny Rotten war er das Enfant terrible der britischen Rock-Szene, und bis heute liebt er die Provokation, etwa mit polarisierenden Aussagen zu Boris Johnson oder Donald Trump. Dabei ist John Lydon eigentlich ein sehr umgänglicher Typ, freundlich, lustig, ein wenig geschwätzig, aber sehr verbindlich. Vor allem jedoch lebt in ihm ein veritables Stück Rockgeschichte. Auf „End Of World“, dem neuen Album seiner Band Public Image Ltd, wird der alte Bürgerschreck sich dieses Umstands offenbar auch selbst bewusst. Sitzt man John Lydon gegenüber, fällt es zunächst schwer, diesen gesetzt wirkenden Mittsechziger mit dem einstigen Großmaul der Sex Pistols zu synchronisieren. Sowie aus seinen Augen jedoch angriffslustige Blitze schießen, ist er wieder ganz der Alte. Wobei sich diese Blitze nicht gegen seinen Gesprächspartner richten, sondern gegen die Verhältnisse, die Moral, das Business und die allgemeine Auffassung von Geschichte und Gegenwart.
Vielleicht ist ja gerade das der Grund dafür, dass „End Of World“ wie ein Kompendium der britischen Popgeschichte der letzten 60 Jahre klingt. „Ich finde, es ist die beste Arbeit, zu der ich je in der Lage war“, platzt es nicht ganz überraschend aus ihm heraus. „Mit PIL verbinden sich ja ganz unterschiedliche Epochen und stilistische Felder, und jeder Hörer hat seine eigene Lieblingsphase der Band. Oft mussten wir Entscheidungen unter großem Finanzdruck fällen und Alben viel zu schnell produzieren. Deshalb gab es auch so eine große Fluktuation in der Band. Mein Traum bestand immer darin, mit derselben Besetzung drei Alben in Folge aufzunehmen. Dieser Traum ist nun in Erfüllung gegangen. Das ist für mich das Paradies. Wir vertrauen einander komplett, können uns aufeinander einlassen und uns miteinander Zeit nehmen.“