Das norwegische Trio Laughing Stock hat ein Faible für Konzeptalben. 2021 erzählten sie mit „Zero, Acts 1&2“ die Geschichte eines Jungen namens Zero. Sie taten dies mit einem songkompatiblen Artrock, der ruhig und atmosphärisch daherkam. Aber diese Story war noch nicht zu Ende erzählt. Mit „Zero, Acts 3&4“ schließen sie nun die Erzählung ab, wiederum mit einem sanften, melodischen Artrock.
Sie kennen sich schon seit gefühlten Ewigkeiten. Bereits 1978 gab es erste Kontakte. Die gemeinsame Leidenschaft für Musik hat sie zusammengeschweißt. Aber zunächst doch nicht so wirklich, denn auch wenn sie seit Mitte der 80er Jahre immer wieder mal in verschiedenen Bands zusammenkamen, verloren sie doch den musikalischen Kontakt zueinander. Aber seit 2016 sind Håvard Enge (Gesang, Keyboards, Flöte), Jan Mikael Sørensen (Gesang, Gitarre, Bass, Drums, Keyboards) und Jan Erik Kirkevold Nilson (Gesang, Gitarre) nun als Laughing Stock zu einem Trio vereint. Das erste Album, „The Island“, erschien 2018 im Eigenverlag (wurde aber 2020 offiziell neu aufgelegt), ihm folgte 2019 „Sunrise“. 2021 begannen die drei dann mit „Zero, Acts 1&2“ ihre Geschichte von Zero, die nun aktuell mit „Zero, Acts 3&4“ ihre Fortsetzung und ihren Abschluss findet. Jan Mikael Sørensen gibt Auskunft.
eclipsed: Bitte schildere die Geschichte von Zero.
Jan Mikael Sørensen: Die Geschichte ist die eines kleinen Jungen, der allein mit seiner Mutter aufwächst. Seine Mutter hat von Anfang an Probleme, die Rolle als Mutter auszufüllen. Wir wissen nicht wirklich was passiert ist, aber es wird klar, dass sie Probleme mit dem Vater des Jungen hatte. Es könnte eine Vergewaltigung gewesen sein, oder Inzest oder ein Freund, der sie missbraucht hat. Dies ist das Thema des neuen Songs „Family Eyes“. Zero wird von seinen Mitschülern zurückgewiesen und flüchtet sich in seine eigene Welt der Videogames. Das zweite Album beginnt, wenn Zero ein junger Erwachsener ist, der mittlerweile alleine wohnt. Als ihn jemand besucht, um nach dem Rechten zu sehen, erschrickt Zero so sehr, dass er aus Angst aus dem Fenster springt und in ein Krankenhaus eingeliefert wird. Dort bekommt er schließlich Hilfe. Nad Sylvan [Anm.: Sänger u.a. bei Steve Hackett, diverse Soloalben] übernimmt die Rolle des Psychologen im Song „The Call“. Während Zero im Krankenhaus liegt, befindet er sich in einem traumähnlichen Zustand. Er ist umgeben von Erinnerungen und inneren Stimmen. Eines Tages erhält er einen Brief von seiner Mutter. Dieser Brief ist der Katalysator dafür, dass sich Zero befreit. Auch wenn es die Geschichte eines speziellen Jungen ist, so betrifft sie doch uns alle. Jeder möchte gesehen und geachtet werden und von Bedeutung für irgendjemanden sein. Jeder muss sich selbst erst mal lieben, um ein fruchtbares Leben zu führen. Es geht auch darum, rauszufinden, wer du wirklich bist und was wichtig für dich ist. Du kannst runtergezogen werden von etwas, dass du nicht ändern kannst. Aber du hast immer die Gelegenheit, dich von den Ketten zu befreien und vorwärts zu kommen.
eclipsed: Befinden sich auch autobiografische Dinge von dir in dieser Geschichte?
Sørensen: Nicht wortwörtlich. Es ist mehr aus Sicht einer Art von Lehrer geschildert, der die Mädchen und Jungen jeden Tag sieht und versucht, etwas Positives in ihrem sonst hoffnungslosen Leben zu sein. Aber auch ich war das Einzelkind einer alleinstehenden Mutter und wir mussten mit wenig zurechtkommen. Insofern hat die Geschichte schon einen persönlichen Touch. Auch ich fühlte mich als Kind irgendwie anders und einsam, war verängstigt. Ich floh aber nicht in Videogames wie Zero, sondern in Bücher und Musik.
eclipsed: Der 10-minütige Track „Mother“ erscheint wie ein letzter Kampf, der aber positiv und friedlich zu endet. Am Schluss benutzt ihr oft das Wort „happy“. Hat die Geschichte um Zero ein Happy End?
Sørensen: Eine gewisse Art von Happy End. Weil wir einen realistischen Plot verfolgten, konnten wir nur ein offenes Ende haben. Am Ende kommt Zero zu der Erkenntnis, dass du nur selbst für dein eigenes Glück sorgen kannst. Anstatt sich von der eigenen Vergangenheit und Gegenwart runterziehen zu lassen, blickt er vorwärts und trennt sich von der Hoffnung, dass seine Mutter für ihn da sein könnte. Es geht darum, Fesseln zu lösen und rauszufinden, was du selbst möchtest.
eclipsed: Fühlt ihr euch jetzt happy, dass die Geschichte von Zero fertig ist und ihr quasi befreit sein, um neue Projekte anzugehen?
Sørensen: Wir arbeiten bereits an einem neuen Album und einem neuen Konzept. Auch wenn wir die Geschichte von Zero wirklich lieben, ist es doch sehr befreiend, an neuem Material mit anderen Stilen und Sounds zu arbeiten.
eclipsed: Für mich klingt das neue „Zero, Acts 3&4“ recht ähnlich zum ersten Teil „Zero, Acts 1&2“. Wo liegen die Unterschiede?
Sørensen: Zum einen ist das neue Album breiter gefächert. Es hat mehr Riffs und elektrische Gitarren. Zum anderen haben benutzen wir jetzt mehr Synthesizer neben dem Piano, der Orgel und den Streichern. Unserer Meinung nach klingt das neue Album voller, voluminöser als das erste Album, das eher verschachtelt und beschaulich sein sollte.
eclipsed: Ihr kennt euch schon so lange. Warum hat es 30 Jahre gedauert, bis ihr eine gemeinsame Band gegründet habt?
Sørensen: Håvard und ich gründeten unsere erste gemeinsame Band 1986. Wir spielten bis 1993 in verschiedenen Bands zusammen, bis er dann nach Oslo ging, um Musik zu studieren. Ab 1993 spielte ich dann zusammen mit Jan Erik in der Band Spacewagon. Das ging bis 1998, als Jan Erik nach Trondheim zog. Wir alle heirateten irgendwann, bekamen Kinder. Nun sind all unsere Kinder erwachsen und es war Zeit für einen Neustart.
eclipsed: Ihr seid doch bestimmt Fans von Konzeptalben. Welches sind eure Lieblings-Konzeptalben?
Sørensen: Oh ja, absolut. Für uns ist ein Album wie eine Novelle, oder wie eine Sammlung von Kurzgeschichten. Die Reihenfolge der Songs auf einem Album sollte ganz bewusst gewählt werden und ein Album sollte immer als Ganzes gehört werden. Zu unseren favorisierten Konzeptalben gehören Pink Floyds „The Wall“, Tears For Fears‘ „The Hurting“ und „Skylarking“ von XTC.
eclipsed: Habt ihr jemals dran gedacht, auch live zu spielen?
Sørensen: Wir haben sogar schon ein paar wenige Konzerte gespielt. Das war vor Corona. Während der Pandemie haben wir mit einem zusätzlichen Drummer geprobt. Unser Debüt als Quartett hatten wir bei einem Festival im Oktober 2021. Im Frühling sind ein paar Konzerte geplant.
eclipsed: Ihr habt euch doch bestimmt nach dem Album „Laughing Stock“ von Talk Talk benannt, oder?
Sørensen: Ja, haben wir. Wir drei haben einige musikalischen Helden gemein. Talk Talk sind ein klarer Favorit davon. Der Name „Laughing Stock“ [deutsch: Witzfigur oder Lachnummer] passt außerdem gut zu uns, denn die meisten unserer früheren Bands wurde weitgehend ignoriert.
*** Interview: Bernd Sievers