CARLOS SANTANA - Der Klang der Welt

25. Juni 2015

Santana

Bill [Graham, Konzertpromoter; Anm.] rief die ganze Band zu einer Besprechung. Das war irgendwann im Juli 1969. Er lebte damals im Mill Valley, der weißen Seite der Bay Area, wo die feinen Pinkel wohnten. Wir fuhren zu ihm und bestaunten die Villen. Er hatte für uns ein hübsches Büffet im Freien vorbereitet. Wir waren total beeindruckt. Dann setzte er sich und erklärte uns, worum es ging. Sonst hatte er es meist eilig, doch dieses Mal nahm er sich Zeit: Er hatte eine Menge zu sagen. »Einigen Gruppen geht es zurzeit nicht sehr gut. Hendrix verkauft nichts, Jim Morrison hat Ärger, weil er sich entblößt hat. Und wie ich höre, übertreibt es Sly mit dem Koks…«

Er beschrieb uns in allen Einzelheiten, was in der Rockwelt damals vor sich ging. »Ich schicke euch an die Ostküste, und wenn ihr zurückkommt, wird alles anders sein. Zuerst geht ihr nach Atlantic City, New York, Boston und Philadelphia und zum Schluss zu diesem großen Festival in Texas, wo ihr mit Sam & Dave, Led Zeppelin und B. B. King spielen werdet. Ihr spielt in kleinen Sälen vor anderthalbtausend bis zweitausend Leuten, dann bei Festivals vor fünfzehn- bis dreißigtausend Leuten und dann bei einem riesigen Festival im Norden des Staates New York vor vielleicht achtzig- oder neunzigtausend Leuten. Ihr werdet großartig sein. Dieses Festival in Woodstock wird für Santana alles verändern. Danach werden euch die Leute überall erkennen, und ihr werdet total durchgedreht sein. Ihr werdet glauben, dass ihr schon immer berühmt wart, und die Leute werden euch wie Götter behandeln. Und danach werdet ihr plötzlich einen Schuhlöffel brauchen, wenn ihr einen Raum betretet, so dick werden eure Köpfe sein.« Bill war sehr direkt. »Bleibt bloß auf dem Teppich. Fangt nicht an zu spinnen.«

Wir versicherten ihm: »He, Mann, verschon uns mit diesem Hippie-Quatsch. Wir kommen aus dem Ghetto, wir sind echt. Wir denken nicht so.« Bill wurde ernst. »Glaubt mir, es wird passieren, ganz sicher.« Unser erstes Album sollte bald herauskommen. Bevor wir Kalifornien verließen, hatte Columbia Records eine ihrer jährlichen Zusammenkünfte, und wir fuhren hin und gaben ein spezielles Konzert für die Verkäufer, Marketingexperten, PR-Leute und hohen Tiere wie Clive Davis. Ich traf Clive damals nicht, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Der Zweck dieser Show war es, die Mitarbeiter der Plattenfirma für ihre Bands und deren neue Platten zu begeistern – ihnen einen zusätzlichen Schub zu geben. Wir gaben dem Album den Namen, der auf der Hand lag: Santana.

Ich fühlte mich auf diesen Betriebsversammlungen immer wie eine Katze in einem Hundezwinger, weil manche Leute im Anzug herumliefen und »He, Baby« riefen. Das waren die Leute, die die ganze Ehre für unsere Musik einheimsten und damit Geld verdienten und behaupteten, wir hätten unseren Erfolg ihnen zu verdanken. Clive war eine Ausnahme, wie ich später herausfinden sollte. Am Abend nach der Zusammenkunft waren wir in New York und spielten im Fillmore East, in der Konzerthalle, die Bill dort im Jahr zuvor eröffnet hatte, um die Magie San Franciscos an die Ostküste zu bringen. Wir standen auf den Plakaten wieder ganz unten – genauer gesagt, unser Name stand nicht einmal auf der Anzeigetafel, weil nicht so viele Namen draufpassten.

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 172 (Juli/August 2015).