Die Macher von „The RCA & Arista Album Collection“ haben eine vorbildliche Herangehensweise beim Re-Release des Lou-Reeds-Werks an den Tag gelegt: So bieten die CDs einen deutlich verbesserten Sound sowie Klangelemente, die man auf frühen Vinyl- und CD-Pressungen nicht vernommen hat. Etwa auf wegweisenden Werken wie „Transformer“, „Berlin“, „Metal Machine Music“ oder „Street Hassle“, mit denen sich Lewis Allan Reed den Ruf des Querdenkers und Totalverweigerers erspielte und zum Teil Klangkunst schuf, die ihrer Zeit so weit voraus war, dass sie zunächst niemand verstand.
Zumal Reed auch nichts tat, um sich zu erklären. Er war zeitlebens auf Konfrontationskurs. Und doch verliebte er sich ausgerechnet in eine Dame, die viel herzlicher, netter und offener ist, als er selbst war. Und die ihn in der gemeinsamen Zeit doch ein bisschen umgänglicher machte. So schwärmt Laurie Anderson, die große Multimediaavantgardistin der 70er und 80er, bis heute von „ihrem Lou“ – auch während des Interviews an einem nasskalten Oktobermorgen auf der anderen Seite des Atlantiks…
eclipsed: Laurie, wo steckst du gerade?
Laurie Anderson: In Southampton, östlich von New York. Ich gönne mir ein paar freie Tage in dem Haus, das Lou und ich in den späten 2000ern erworben haben. Und es regnet in Strömen, so richtig heftig.
eclipsed: Du warst 21 Jahre mit Lou liiert. Ganz ehrlich: Wie hast du es mit diesem Menschenfeind nur so lange ausgehalten?
Anderson: (lacht) Das war er gar nicht. Auch wenn er berühmt dafür war, schroff gegenüber Journalisten zu sein. Er liebte Schriftsteller, redete stundenlang mit ihnen. Aber mit Rockjournalisten hatte er Probleme, besonders mit denen, die sich für Klatsch und Tratsch interessierten und Fragen stellten wie: „Was für eine Lederjacke trägst du?“ Da konnte er ziemlich ausfallend werden. Weshalb er den Ruf hatte, alle Journalisten zu hassen, was definitiv nicht der Fall war.
eclipsed: Was hat dich an Lou fasziniert?
Anderson: Er war ein unglaublich lustiger Mensch und extrem intelligent. Er hat es geschafft, Dinge in Menschen hervorzubringen, die sie sich selbst nie zugetraut hätten, wodurch sie regelrecht über sich hinausgewachsen sind. Das ist eine seltene Gabe. Und wir hatten eine sehr tiefe Verbindung zueinander, von Anfang an. Wir unterstützten uns in allem, und es war eine tolle Partnerschaft. Ich schätze mich glücklich, dass ich Lou getroffen habe und so lange mit ihm zusammen sein durfte.
eclipsed: Inwieweit kümmerst du dich um seinen Nachlass?
Anderson: Ich bin immer noch dabei, alles zu sichten. Und ich empfinde sein Archiv als ziemlich überwältigend, insofern als ich die Verantwortung habe, etwas Gutes damit zu tun. Aber zunächst einmal war das, als ob ein 15-stöckiges Hochhaus über mir zusammenbricht. Nach dem Motto: Oh mein Gott, wie soll ich damit umgehen?