PAT MASTELOTTO - Drei Schlagzeuger sind besser als einer

Seit 1994 steht Pat Mastelotto in Diensten von King Crimson und feiert damit in diesem Jahr seine 25-jährige Mitgliedschaft. Der vielseitige Schlagzeuger war zuvor bei der erfolgreichen Poprockband Mr. Mister („Broken Wings“, „Kyrie“) und trommelte u. a. für Al Jarreau, die Rembrandts und XTC. Derzeit ist der 63-jährige Kalifornier neben King Crimson auch bei O.R.k. und den Stick Men (mit Crimson-Kollege Tony Levin) involviert. Im Interview mit eclipsed erläutert Mastelotto die Schwierigkeiten auf dem Weg zur Crimson-Jubiläumstournee und gibt interessante Einblicke in die Tourvorbereitungen. Dabei klärt er auch die Frage, wie das Zusammenspiel mit den anderen beiden Schlagzeugern funktioniert.

eclipsed: Vor sechs Monaten sah es aufgrund der Brexit-Verhandlungen so aus, als würden King Crimson auf ihrer Jubiläumstour einen Bogen um Europa machen. Wie wurde dieses Problem gelöst?

Pat Mastelotto: Anfangs wollten wir die EU-Länder meiden und nur in Nicht-EU-Ländern touren, doch dann gingen die Leute vom Management und unser Bookingagent doch das Risiko ein. Das Hauptproblem waren Steuern und Visa. Ich war übrigens überrascht zu hören, dass unser Bookingagent Neil Warnock schon 1969 beim Hyde-Park-Konzert [als King Crimson im Vorprogramm des Brian-Jones-Tributekonzerts der Rolling Stones spielten] im Publikum war. Er ist kein Typ, der im Büro hockt, sondern trotz seines Alters voller Leidenschaft dabei. Er weiß genau, in welchen Venues Robert die Musik von King Crimson spielen möchte.

eclipsed: Ihr werdet in wenigen Wochen mit den Proben für die anstehende Tour beginnen. Wann und wo geht es los?

Mastelotto: Offiziell geht es am 22. April los, direkt nach Ostern. Robert hat bereits vor Monaten fünf ältere Songs vorgeschlagen: je einen von der ersten und der zweiten Platte sowie je einen von „Discipline“, „The Power To Believe“ und „Beat“. Wir Schlagzeuger haben uns auch schon Gedanken gemacht, wie wir diese umarrangieren wollen. Wenn wir zusammenkommen, proben wir erst mal in kleineren Gruppen. Da die Proben in England stattfinden, treffen wir drei Schlagzeuger uns für ein, zwei Tage in Gavin [Harrisons] Haus, hören unsere letzten Shows bei geringer Lautstärke in einer Multitrack-ProTools-Session an und schauen uns auf dem Bildschirm an, wo wir einander versehentlich in die Quere kommen. Anschließend gehen wir vier oder fünf Tage in einen Proberaum in der Nähe von London und stellen uns im Dreieck auf, sodass wir einander anschauen können, was auf der Bühne oft schwierig ist. Zur selben Zeit treffen sich die Gitarristen sowie Bill [Rieflin] und Jeremy [Stacey] in separaten Gruppen, um an den Keyboardarrangements zu arbeiten, denn wir haben jetzt ziemlich viele Keyboards in der Band. Nach diesen Vorbereitungen gehen wir alle auf eine große „Soundstage“, wo wir etwa zehn Tage mit der vollen Produktion proben und am Ende ein Nachmittagskonzert für unsere Freunde und Familien geben. Dann machen wir eine dreiwöchige Pause, und jeder geht nach Hause, um das Geprobte zu verdauen und an seinen Parts weiterzuarbeiten. In der Nähe der Stadt, wo der Tourauftakt ist, finden dann die Generalproben statt. Wir haben jetzt rund fünf Stunden Material, und es dauert eine Weile, um alles frisch zu halten, denn selbst wenn wir einen Song monatelang nicht auf der Bühne bringen, proben wir ihn dennoch – zum Beispiel „Fracture“, das wir alle zwei Tage beim Soundcheck spielen, um vorbereitet zu sein, wenn wir es tatsächlich ein paar Mal auf der Tour spielen.

eclipsed: Wer ist bei den Proben der musikalische Leiter?

Mastelotto: Offiziell gibt es keinen Leiter, aber inoffiziell ist es Robert oder Bill. Bill sitzt auch an einer besseren Stelle, um alles genau zu hören und das Ganze zu beobachten. Ich glaube auch, dass ihm diese Position gefällt, während ich keinen Spaß dabei hätte.

eclipsed: Du wurdest 1994 ja auch deshalb von Fripp in die Band geholt, um Bill Brufords extravagante Tendenzen einzudämmen. Was ist der Unterschied zur heutigen Konstellation?

Mastelotto: Ich glaube, niemand kann einen Bill Bruford im Zaum halten! Ich sollte damals eher ein Rückhalt sein bzw. ein Sprungbrett für ihn bieten. Bill ist manchmal ein sehr minimalistischer Drummer, und das wollte ich nicht verpfuschen, indem ich einen weiteren Part hinzufügte. Jetzt dagegen versuchen wir uns alle gleichmäßig einzubringen. Ich gebe dann auch mal Parts, die ich für „Level 5“ oder „The ConstruKction Of Light“ kreiert habe, an Jeremy oder Gavin ab, und dann verteilen wir sie neu – oder wir fangen ganz frisch an und arrangieren alles von Grund auf neu. Wir haben beim Schlagzeugspiel jetzt viel mehr Struktur, während Bruford zu Doppeltriozeiten auf der Bühne gerne seine Parts veränderte und ich darauf reagieren musste – wie bei einem Flipperspiel.

eclipsed: In seiner Autobiografie schreibt Bruford: „Angesichts der Tatsache, dass Rhythmus nicht Roberts Stärke war (und ihm war bei praktisch allem, was ein Drummer spielte, das Unbehagen anzusehen), mag es den Leser verwundern, dass er gleich zwei Drummer anheuerte.“ Was mag trotz dieser Bedenken Roberts Absicht gewesen sein, als er für die aktuelle Crimson-Besetzung noch einen dritten Schlagzeuger einplante?

Mastelotto: Robert hat mal gesagt, dass ein Schlagzeuger eine Band definiert: Wenn man einen Rockdrummer in eine Jazzband steckt, kriegt man eine Rockband; wenn man einen Jazzdrummer in eine Rockband steckt, kriegt man eine Jazzband. Robert merkte schon früh, dass man mehrere Drummer braucht, um bestimmte Geschmacksrichtungen abzudecken. In gewisser Weise war er auch verwöhnt, denn sein erster Schlagzeuger Michael Giles war sehr vielseitig – wie er Rock, Jazz und Avantgarde spielte, war bahnbrechend, weshalb er kaum zu übertreffen ist.

eclipsed: Du spielst jetzt schon eine Zeitlang mit Gavin Harrison und Jeremy Stacey zusammen. Wo liegen ihre spezifischen Stärken?

Mastelotto: Sie sind beide fantastisch! Gavin hat ein relaxtes Feeling, und seine Fußarbeit ist sehr akkurat und beeindruckend. Und dann sehe ich, wie Jeremy ihm mit nur einer Bassdrum erstaunliche Sachen entgegenhält, die dynamisch und voller Power sind!

eclipsed: Wie kommt es eigentlich, dass ihr drei auf der Bühne vor den anderen Musikern postiert seid? Hat das mit Robert Fripps und Tony Levins Gehörproblemen zu tun?

Mastelotto: Das war von Anfang an Roberts Idee. Wir Schlagzeuger sagten: „What the fuck?! Wie sollen wir denn so kommunizieren?“ Wir dachten auch, dass Robert nach den Proben seine Meinung ändern würde, weil es logistisch schwierig war, aber das tat er nicht! (lacht)


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