Kategorie: CD-Reviews | Genre: Other | Heft: Jahrgang 2013, eclipsed Nr. 150 / 5-2013 | VÖ-Jahr: 2013 | Wertung: 8/10 | Label: Erased Tapes | Autor: ST
Nach zwei Minuten ist klar: In den noch folgenden 17 Minuten des Eröffnungsstücks „Pockets Of Light“ wird sich an dessen Struktur nichts mehr ändern – engverflochtene, verschachtelte, perlende, ad infinitum wiederholte Piano-Arpeggios bilden einen Mahlstrom, der in eine Richtung weist: Minimal Music. Tatsächlich ist der ukrainischstämmige Kanadier Lubomyr Melnyk stark von der Minimal-Bewegung beeinflusst, von Arbeiten von Komponisten wie Philip Glass (besonders dessen „Glassworks“), Steve Reich (das Grundlagenwerk „Piano Phase“ kommt einem hier in den Sinn), Terry Riley oder Michael Nyman. Lemnyk selbst vermeidet die Bezeichnung Minimal Music für seine Arbeiten. Er möchte seine Klavierfraktale vielmehr als „Continuous Music“ verstanden wissen. Der von ihm geprägte Begriff dockt wiederum an dem Konzept einer „Ewigen Musik“ (bzw. „Continuous Sound And Light Environments“) an, das das Künstlerpaar La Monte Young/Marian Zazeela mit der Klanginstallation „Dream House“ ab den frühen Sechzigern entwickelt hat. Während dieses dabei jedoch konsequent einen einzigen Klangentwurf zeitlich auswalzt (bis zu Jahren), bietet Melnyk verschiedene Schattierungen seiner kontinuierlichen Musik an. Dabei könnte aber jedes einzelne der von Peter Broderick produzierten fünf Stücke von „Corollaries“ über seine tatsächliche Dauer hinaus nach Gutdünken ausgedehnt werden. Wie beim „Dream House“ oder bei La Monte Youngs Hauptwerk „The Well-Tuned Piano“ steht auch bei den Kompositionen von Lubomyr Melnyk nicht mehr die Form, sondern allein der Klang im Vordergrund. Und dieser entwickelt einen immensen Sog. „Corollaries“ ist ein Album, um sich darein fallen zu lassen. Man kann an einer beliebigen Stelle einsteigen und die betörenden Klänge auf sich wirken lassen. Am 26. Mai in Berlin (Grüner Salon) auch im Beisein des Musikers.
Top-Track: Pockets Of Light