SATURMZLIDE - Moderne Elektronik: „Handverschraubte“ Leidenschaft

4. Juli 2017

Saturmzlide

So geht zeitgenössische elektronische Musik: „Human Art Engines“, das neue Album von SaturmZlide, ist geprägt vom 21. Jahrhundert, verweist auf die 80er und 90er Jahre, besticht durch seine Vielzahl an Klängen und ist zugleich groovy und tanzbar. Es dürfte also nicht nur Gefallen auf dem Dancefloor finden, sondern auch Liebhaber der Old-School-Elektronik erfreuen. eclipsed sprach mit dem Lüneburger Alex Marco, dem Mann hinter SaturmZlide.

eclipsed: Alex, du bist mit SaturmZlide schon seit längerer Zeit im weiten Feld der elektronischen Musik aktiv. Vor „Human Art Engines“ hast du schon drei Alben und eine EP veröffentlicht. Wie ordnest du SaturmZlide innerhalb der elektronischen Musik ein?

Alex Marco: Ich bezeichne es als Industrial-Fusion. Ich habe aber immer verschiedene Elemente mit reingenommen. Zum Beispiel auch Gitarren. Aber Industrial war der rote Faden, dazu Breakcore und Rhythmic-Noise, also die sehr harte Art der elektronischen Musik. Das erste Album war Rhythmic-Noise. Das hat sich über die weiteren Alben durchgezogen. Ich habe experimentiert und atmosphärische Sachen ergänzt. Wichtig war mir auch, dass ein Album nicht durchgehend 50 Minuten Industrial-Sounds hat. In den Rezensionen wurde geschrieben, dass man das Gefühl hat, es würden Geschichten erzählt.

eclipsed: Mit dem neuen Album „Human Art Engines“ variierst du deinen Ansatz. Was ist anders gegenüber den vorherigen Alben?

Marco: Im Gegensatz zu den älteren Alben ist es kein Konzeptalbum. Es erzählt keine Geschichte. Ich habe darauf wenig digital gearbeitet und wollte wieder mehr mit Hardware und echten Geräten experimentieren. Ich habe an den Sounds getüftelt und nicht darauf geachtet, ob das auch live funktionieren würde. Der Raum für Abenteuer war wichtig. Beim neuen Album bin ich wieder auf die reine Elektronik fixiert. Es hat auch leichte Old-School-Elemente drin. Meine Wurzeln aus den 80er und 90er Jahren, aus der Techno-Zeit. Die Synthies aus den 80ern. Es ist immer noch sehr variabel. Ich halte mir das offen. Ich habe drei Tracks mit Matthias Schuster abgemischt, der ein Urgestein der Szene ist und mich unterstützt hat, in Richtung des 80er Sounds zu gehen. Wir haben mit einer analogen Konsole abgemischt. Es ist kein Rhythmic-Noise mehr, nicht mehr so hart, dafür noch grooviger.

eclipsed: Deine musikalischen Wurzeln liegen nicht allein in der elektronischen Musik. Du stehst auch auf Prog. Wie bist du schließlich zur elektronischen Musik gekommen?

Marco: Das sind verschiedene Phasen, die mich beeinflusst haben. Zum einen natürlich all die Techno-Sachen in den 90er Jahren. Ich habe damals als DJ aufgelegt und mit einfachen Mitteln elektronische Musik gemacht. Das hat mein Gehör entsprechend geschult. Zum anderen habe ich nebenbei als Bassist in einer Rockband gespielt. Und Anfang 2000 bin ich dann als Keyboarder in eine Progressive-Rock-Band reingewachsen. Das ist alles wichtig und hat mich beeinflusst. Fusion – verschiedene Musikstile zu kombinieren – ist immer mein Weg gewesen. Den Industrial habe ich vor 10 Jahren erst entdeckt. Das war für mich etwas völlig Neues.

eclipsed: Fließen diese anderen Stile in SaturmZlide ein?

Marco: Das ist nicht abzusehen. Momentan arbeite ich an zwei anderen Projekten und probiere neue Sachen aus. Ich weiß auch aktuell nicht, in wie fern es mit SaturmZlide weitergeht. Ich brauche nach einem Album erst mal wieder Abstand, so zwei oder drei Jahre. Das habe ich vor dem letzten Album auch gebraucht. Das wird jetzt wieder so sein. Ich werde noch ein paar Liveshows spielen, mich aber auf andere Projekte konzentrieren. Der 80er Sound ist momentan wieder sehr stark im Kommen. Als Keyboarder finde ich so etwas interessant.

eclipsed: Wie entstehen all die Sounds, die man auf deinen Alben hört?

Marco: Die Sounds auf dem neuen Album sind selbst gemacht. Ich habe unheimlich viel Zeit an den Sounds gearbeitet. Bei den vorherigen Alben habe ich viel auf digitale Klangerzeuger zurückgegriffen. Jetzt ist alles mit Hardware entstanden. Ich habe viel Erfahrung mit analoger Klangerzeugung gemacht. Das hat zwar lange gedauert, aber ich habe mir die Zeit genommen. Das ist alles „handverschraubt“. Also nicht irgendwo runtergeladen. Auch die Rhythmen sind selbst programmiert.

eclipsed: Du betreibst die Musik als Hobby und Leidenschaft neben deinem normalen Beruf. Was motiviert dich, immer weiter zu machen?

Marco: Das passiert eigentlich automatisch. Musik zu machen ist für mich wie eine Notwendigkeit für mein Leben. Vielleicht zu vergleichen mit ein Tagebuch zu schreiben. Es ist ein Spiegelbild der Seele. Manchmal ist es sehr technisch, manchmal aber auch sehr emotional. Es gibt Zeiten, da passiert musikalisch überhaupt nichts. Das kann über zwei, drei Monate gehen. Manchmal gibt es auch eine Deadline für ein Album. Dann ist ein bisschen Druck da und dann muss ich permanent dran arbeiten.

eclipsed: Wie sieht die hiesige Szene in diesem Musikbereich aus?

Marco: Die gesamte Community ist unglaublich groß. Sie ist natürlich durch die sozialen Netzwerke noch deutlich gewachsen. Wie auch im Rockbereich entstehen viele Email-Alben. Es gibt viele Auftrittsmöglichkeiten, ebenso gibt es viele Crossover-Möglichkeiten mit anderen Projekten, Bands und Musikern. Es ist irgendwie noch Underground, aber sehr familiär. Und man wird gefördert.

eclipsed: Das heißt, mit deinem Label Hands Productions bist du zufrieden?

Marco: Ja, absolut. Das Label hat mich weit gebracht. Es gibt in Deutschlands gute Festivals in diesem Bereich, bei denen wirklich viele Menschen da sind. Das ist auch ein Grund, warum ich dies betreibe. Ich habe die Möglichkeit, das auf der Bühne zu machen. Das ist eine ganz andere Geschichte als nur Alben zu machen. Am interessantesten wird es bei den Auftritten. 

eclipsed: Welches Gefühl ist es, vor den Leuten zu stehen und zu spielen?

Marco: Ein Gefühl, das ich nicht mehr missen möchte. Meine Bands sind nie etwas Großes gewesen. Aber durch die elektronische Musik ist es wirklich gewachsen. Da war die Möglichkeit plötzlich da, vor viel mehr Leuten zu spielen. Die Szene ist nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Man hat intensiven Kontakt mit dem Publikum. Kleine Club-Konzerte sind auch interessant, aber größere Festivals wie das Maschinenfest [ein seit 1999 erst in Aachen dann in Oberhausen alljährlich stattfindendes, dreitägiges Festival – d.Verf.] oder Forms Of Hands [Festival des Dortmunder Labels Hands Productions, findet seit 2001 statt – d.Verf.] oder das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig sind für mich momentan wirklich unbezahlbar.

*** Interview: Bernd Sievers