THE JIMI HENDRIX EXPERIENCE - London calling

Der entscheidende Tag ist ein Freitag. Genauer: der 23. September 1966. An diesem Abend versammeln sich rund 180 Passagiere am Abflug-Gate des New Yorker John-F.-Kennedy-Airports, wenige Augenblicke später gehen sie an Bord einer Boeing 707. Unter den Reisenden befinden sich zwei junge Männer: der 27-jährige Engländer Brian James „Chas“ Chandler und der 23-jährige US-Amerikaner James Marshall Hendrix, der sich bald Jimi nennen wird. Für sie ist der Pan-Am-Flug 102 nach London mit dem Start einer Mission verbunden. Sie wollen die Welt der Musik verändern.

Touchdown an der Themse

Nach einem Transatlantikflug ohne besondere Vorkommnisse setzt die Maschine am folgenden Morgen gegen neun Uhr auf der Landebahn des Londoner Flughafens Heathrow auf. Während sich Hendrix und Chandler zunächst einmal mit den Zollbehörden auseinandersetzen müssen, die von dem Amerikaner eine Aufenthaltserlaubnis fordern, die dieser nicht besitzt (Chandler löst das Problem mit einer Notlüge), wälzen sich einige der wichtigsten Protagonisten der Londoner Szene da noch in den Laken.

Zum Beispiel die Rolling Stones. Am Vorabend haben sie in der Royal Albert Hall, pünktlich zur Veröffentlichung ihrer neuen Single „Have You Seen Your Mother, Baby, Standing In The Shadow?“, eine Englandtournee gestartet. Dabei haben sie verwundert festgestellt, dass eine ganz neue Generation von Teenagern auf der Bildfläche beziehungsweise vor der Bühne erschienen ist. Womit klar ist: für ein neues Publikum müssen neue Sensationen her!

Im Vorprogramm der Show sind neben den erstmals in England gastierenden Ike & Tina Turner, die mit „River Deep, Mountain High“ just ihr Top-5-Debüt im Königreich geschafft haben (das allerdings allein auf Tinas Konto geht), auch die Yardbirds aufgetreten. Letztere haben hinter der Bühne einen italienischen Filmemacher namens Michelangelo Antonioni kennengelernt, der sie für sein geplantes Filmprojekt „Blow-Up“ anheuert. Wobei die Yardbirds für ihn nur die zweitbeste Lösung darstellen, ursprünglich wollte er The Who, den zu diesem Zeitpunkt spektakulärsten Live-Act der Themsestadt, verpflichten. Deren Manager Kit Lambert aber hat für eine Mitwirkung seiner Schützlinge zu hohe finanzielle Forderungen gestellt.

Von all dem weiß Hendrix natürlich nichts. Chandler aber kennt die Strukturen und Befindlichkeiten der überschaubaren Londoner Szene nur zu gut. Er zieht daraus den Schluss, dass der Erfolg seines Schützlings nur über die In-Crowd führen kann, die in der hierarchisch streng geordneten Welt des englischen Pop das Sagen hat. Er wird Hendrix zum Stadtgespräch machen.

Entsprechend zielstrebig geht Chandler vor. Kaum haben die beiden das Flughafengebäude verlassen, machen sie sich auf den Weg zu Zoot Money. Der Organist ist eine der Schlüsselfiguren der Londoner R’n’B-Szene, Chef der Big Roll Band und eng befreundet mit John Mayall, Alexis Korner und Graham Bond. Sein Haus in der Gunterstone Road, Fulham, dient jungen Musikern als Herberge, den Keller bewohnt zurzeit sein Gitarrist, der 23-jährige Andy Summers. Chandlers Besuch erweist sich als folgenreich – noch bevor Hendrix seine erste Nacht in London verbringt, sind die Weichen gestellt: Money lädt den jungen Amerikaner für den Abend zur gemeinsamen Jamsession ins Scotch of St. James ein. Jimi wird bei dieser Gelegenheit die 20-jährige Kathy Etchingham treffen, auch sie eine Bewohnerin von Moneys Haus. Sie ist das Mädchen, mit dem er die nächsten Jahre die wohl engste Beziehung seines Lebens führen wird.

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 182 (Juli/August 2016).