SAGA - Riskantes Puzzle

22. Oktober 2015

Saga

No risk, no fun. Glaubt man Michael Sadler, so sind er und seine Bandkollegen in bald 40 Jahren Musikbusiness nicht nur einmal nach diesem Motto verfahren – und das nicht schlecht. Vor genau 20 Jahren war genau so ein Moment. Nach dem von Kritik und Fans äußerst kritisch beäugten Album „Steel Umbrellas“ wäre es für die Kanadier ein Leichtes gewesen, auf Nummer sicher zu gehen und wieder eine proggigere, mit den klassischen Saga-Trademarks gespickte CD aufzunehmen. Doch sie gingen „all in“. Die Wahl fiel auf ein Konzeptalbum. „Generation 13“ hieß das fast 70-minütige Opus – keine leichte Kost. „Das war damals natürlich ein Risiko, hundertprozentig“, erinnert sich Sadler. „Bei unserer Plattenfirma schrien sie vor Entsetzen auf, als wir mit der Idee kamen.“ Doch der Mut wurde belohnt: „Rückblickend würde ich sagen, es gehört zu unseren Klassikeralben. Es ist ein Meilenstein in unserer Diskografie. Und ich erinnere mich mit Freuden, wie die von der Plattenfirma reagiert haben, als es dann doch ein Erfolg wurde.“

Verlorene Generation

An Aktualität hat das Thema, das behandelt wird, auch 20 Jahre später nichts verloren. Basierend auf dem Buch „13th Gen – Abort, Retry, Ignore, Fail?“ von Neil Howe und William „Bill“ Strauss erzählten Saga am Beispiel des Waisenkindes Jeremy die Geschichte der Generation der zwischen 1961 und 1981 Geborenen. Von Kindern, die in zerrütteten Familien, häufig ohne ein Elternteil und eben nicht wohlbehütet aufwuchsen und sich den Zwängen, Einflüssen und Versuchungen einer modernen Leistungs- und Mediengesellschaft ausgesetzt sahen. „Was passiert mit solchen Jugendlichen? Die Frage ist heute so relevant wie damals, und sie wird es immer sein, auch wenn es bei uns auf eine ganz bestimmte Generation ausgelegt war“, so Sadler, für den der Entstehungsprozess der Platte und die Aufnahmen eine „willkommene Herausforderung“ waren, wie er heute sagt. Erstens hatte die Band noch nie ein reines Konzeptalbum aufgenommen – die „Chapters“ waren nur eine über mehrere Alben verteilte lose Folge von irgendwie zusammenhängenden Nummern gewesen. Und auch die Herangehensweise war eine andere. „Normalerweise schreibt man vor sich hin und arbeitet dann im Studio gemeinsam an den Songs“, so Sadler. „Bei ‚Generation 13‘ lief das anders. Wir nahmen uns jeden Tag nur bestimmte Instrumente vor und spielten diese dann ein. Es war wie ein großes Puzzle mit ganz vielen kleinen Stücken.“

Den großen Masterplan hatte Bassist Jim Crichton geliefert. Der Bruder von Gitarrist Ian Crichton entwarf nicht nur das Konzept und schrieb die Storyline. Er zeichnete als Komponist auch für alle Songs verantwortlich. Die 25 ineinander übergehenden Teile waren durchkomponiert und wohldurchdacht, alles bis ins kleinste Detail festgelegt. „Wir hatten deshalb bei den Aufnahmen das fertige Ergebnis schon in unseren Köpfen, das unterscheidet es von allen anderen unserer Alben“, erzählt Sadler, der hier auch seine gesangliche Vielseitigkeit zur Geltung bringen konnte. Wie die Situation im Studio war, zeigt diese kleine Anekdote: „Wir hatten da so ein Flipchart im Studio. Darauf standen alle Songtitel, und wir hakten dann immer ab, wenn etwas im Kasten war. Als wir dachten, wir wären fertig, stellten wir plötzlich fest, dass es da noch eine weitere Seite gab. Das war schon sehr lustig. Wir dachten, wir wären weiter, als wir in Wirklichkeit waren.“

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 175 (November 2015).