30 JAHRE LIVE AID - Die große Ernüchterung

26. August 2015

Live Aid

„It’s twelve noon in London, seven a.m. in Philadelphia, and around the world it’s time for: Live Aid.“ Mit diesem Satz eröffnet BBC-Moderator Richard Skinner am 13. Juli 1985 den größten, ambitioniertesten, aber – und dazu gleich mehr – leider auch ineffektivsten Charity-Event in der Geschichte der Rock- und Popmusik. Ausgelöst durch die Hungersnot im ostafrikanischen Äthiopien und beseelt durch den Erfolg der Benefizsingle „Do They Know It’s Chistmas?“ stampft Bob Geldof ein Festival aus dem Boden, das die Welt wachrütteln und so viele Spendengelder generieren soll wie nur möglich. Also nutzt der Sänger der Boomtown Rats seine Kontakte innerhalb der Musikwelt und lässt die Rockpromoter schlechthin, Harvey Goldsmith und Bill Graham, zwei zeitgleiche Konzerte in London (Wembley-Stadion) und Philadelphia (JFK-Stadion) organisieren, die – ein echtes Novum – weltweit im Radio und Fernsehen übertragen und zudem von Veranstaltungen in Südafrika, Deutschland, Japan und Australien flankiert werden. Eine globale Kraftanstrengung, finanziert durch multinationale Medienkonglomerate.

Die beiden Festivals zu besetzen, ist gar nicht so einfach, sondern ein Spagat zwischen den Interessen von Plattenfirmen, Managern und Künstlern, die Geldof auch mal die kalte Schulter zeigen. So sagen Bruce Springsteen, Prince, Tears For Fears, Deep Purple und Frank Zappa ab, weil sie die Relevanz des Ganzen anzweifeln. „Mir war nicht klar, dass es eine so große Sache werden würde“, erklärt der Boss heute. „Im Nachhinein wäre ich gerne dabei gewesen.“ Dagegen boykottieren Michael Jackson und Stevie Wonder Live Aid, weil nicht genug afroamerikanische Künstler vorgesehen seien; Paul Simon und Huey Lewis wollen nichts mit Graham zu tun haben; Rod Stewart und Billy Joel sehen sich angesichts des kurzen Vorlaufs außerstande, eine Band zusammenzustellen; Anfragen von Marillion, Yes und Foreigner lehnt Geldof ab, weil er schon Acts wie die Hooters und Adam Ant „aus Gefälligkeit durchziehen“ müsse. „Who the fuck are The Hooters?“, echauffiert er sich gegenüber dem amerikanischen „Rolling Stone“. Die Antwort bekommt er 2004 – als er ihr Tour-Support ist.

Doch abgesehen von dem Gerangel um die Slots, der Tatsache, dass ein Cat Stevens keine Berücksichtigung findet, und dem doppelten Auftritt von Phil Collins, der per Concorde (geschätzte Kosten: 30.000 Euro) die transatlantische Distanz überbrückt, um in London und Philly jeweils „In The Air Tonight“ und „Against All Odds“ anzustimmen, ist Live Aid ein musikalischer Erfolg: Beide Shows sind ein Spiegelbild der facettenreichen Musikszene der frühen Achtziger, schlagen einen gelungenen Bogen von Pop über Rock, Soul bis Rap und glänzen durch den richtigen Mix aus Jung und Alt, Aufstrebend und Etabliert. Mit ein paar Highlights, die genauso in die Musikgeschichte eingehen wie die Veranstaltung selbst.

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 173 (September 2015).