Syd Barrett ist auf einem LSD-Trip hängen geblieben und zum Madman geworden. Das israelische Multitalent Asaf Avidan hat sich dagegen in den Wahnsinn meditiert. Jetzt liefert der 45-Jährige den Soundtrack dazu: den Klang des Nichts. Der fällt ziemlich opulent aus – „Unfurl“ ist die „Carmina Burana“ der Indie-Rockmusik.
Ein sonniger Freitagmorgen in der Nähe von Bordeaux: Asaf Avidan empfängt in seinem Domizil in einer alten Wassermühle – einem historischen Gemäuer mit Bach und 16 Hektar Wald. Dort versucht der Exil-Israeli zu erklären, was eigentlich nicht erklärbar ist: seine Erlebnisse der letzten Jahre – und sein sechstes Soloalbum.
eclipsed: Asaf, „Unfurl“ basiert angeblich auf Meditation, Therapie und Traumdeutung. Meinst du das ernst?
Asaf Avidan: Und wie! Nach „Anagnorisis“ von 2020 hatte ich eine richtige Schreibblockade und fing mit all diesen Techniken an: Tagebuch führen, eine Menge Jung lesen und per Meditation in mein Unterbewusstsein vordringen. Doch das hat nicht funktioniert. Dann bin ich nach Mexiko, habe mir ein Haus am Strand gemietet – und es wurde sogar noch schlimmer.
eclipsed: Inwiefern?
Avidan: Ich habe mich im Unendlichen verloren, das man nicht beschreiben kann: im Nichts. Und darum geht es auf dem Album: um das Gefühl, mich darin zu verlieren.
eclipsed: Wie sieht das Nichts aus – und wie klingt es?
Avidan: Es klingt wie ein reißender Fluss – und sieht aus wie eine Höhle, die in violett-pinkes Licht getaucht ist. In einem Traum habe ich gefragt, wo ich mich befinden würde. Die Antwort war: „In deinem Unterbewusstsein.“ Es war wie in einem David-Lynch-Film oder einem Jung-Traum. Seitdem fühle ich mich wie ein Schamane, der mit der Welt der Toten kommuniziert, aber nicht dort bleiben darf. Meine Aufgabe ist es, den Lebenden mitzuteilen, was auf der anderen Seite passiert. Eine unmögliche Mission, weil es keine Worte dafür gibt. Das ist die Tragödie des Schamanen: Er versucht, das Unerklärliche zu erklären.
