Ihre Berlinauftritte vor dem Reichstag und im Treptower Park zählen bis heute zu den größten Einzelkonzerten, die dieses Land gesehen hat. Jeweils rund 200.000 Menschen bescherten Barclay James Harvest 1980 beziehungsweise 1987 die triumphalsten Momente ihrer Karriere. Einer Karriere, die vor fünfzig Jahren begonnen und grundlegende stilistische Wandlungen mit sich gebracht hat: Von melodieseligem Symphonic Rock über hymnischen Prog bis zu elegantem Poprock reichen die Fertigkeiten der englischen Gruppe, die noch heute besteht. In doppelter Ausführung.
Nach dem Misserfolg mit dem „Album „River Of Dreams“ und dem vorläufigen Aus im Jahr 1998 gibt es heute zwei Formationen, die das Erbe von Barclay James Harvest verwalten: BJH featuring Les Holroyd auf der einen, John Lees’ Barclay James Harvest auf der anderen Seite. Die beiden Hauptsongschreiber der Gruppe reden seit Längerem nicht mehr miteinander, jeder geht seinen Weg. Während sich Holroyd darauf beschränkt, seine BJH-Songs live zu präsentieren, schreiben Lees und seine Mitstreiter die Geschichte der Band, die in diesem Jahr ihr fünfzigjähriges Jubiläum feiert, fort. eclipsed sprach mit Lees über aufregende Jahre, über Höhen und Tiefen, und erlebte dabei einen Menschen, der in sich ruht, gleichzeitig aber noch immer nicht über den Verlust seines Freundes Stuart „Woolly“ Wolstenholme hinweg ist.
eclipsed: Fünfzig Jahre Barclay James Harvest – eine wahrhaft lange Zeit. Kannst du das überhaupt begreifen?
John Lees: Schwierig. Als ich anfing, Gitarre zu lernen, hätte ich mir das nicht erträumt. Aber es hat sich nicht so angefühlt, die Zeit ist schneller vergangen. Es ist wirklich schwierig, sich da an alles zu erinnern.
eclipsed: Gerade wurde euer Debüt neu veröffentlicht (siehe Review in dieser Ausgabe). Wie gefallen dir der Stereomix und die Bonustracks?
Lees: Sehr gut. Es ist schön, das alte Material neu aufbereitet zu hören. Vor fünfzig Jahren kam die Single „Early Morning“ heraus, aus diesem Anlass haben wir kürzlich ein Jubiläumskonzert gegeben [am 6. Mai in Manchester]. Für mich war es ein besonderer Moment, die Sachen noch mal zu spielen, vor allem meine Songs und die von Woolly.
eclipsed: Müsstest du die fünfzig Jahre in Phasen unterteilen: Wo würdest du die Marker setzen?
Lees: Für mich war jedes Album, das wir gemacht haben, ein Meisterwerk. Aber das größte, erfolgreichste war sicherlich „Gone To Earth“. Es hat uns auf ein anderes Level gehoben. Aber wie gesagt: Jedes einzelne Album war von neuem eine Herausforderung, Lieder zu schreiben, die den Leuten gefallen, auf die sie reagieren.
eclipsed: Bis zum Split sehe ich folgende drei Phasen: die ersten Jahre, als die Band noch auf der Suche nach ihrem Stil war, die progressive Zeit von 1972 bis 1976 und die anschließende Pop-Phase. Gehst du da mit?
Lees: Ja. Und ich muss gleich dazusagen, die Band wollte den Schritt zur Kommerzialisierung machen. Er wurde auch irgendwie von uns erwartet. Und aufgrund einiger Singleerfolge war das okay für uns, auch wenn wir uns damit von der Progressive-Szene entfernten. Mit John Lees’ BJH hoffen wir, wieder dorthin zurückzukehren. All die Jahre waren sehr anstrengend, wir standen immer im Wettbewerb. Erst jetzt kann ich wieder die Person sein, die ich in den Anfangsjahren war. Ich arbeite mit guten Leuten zusammen. Wir haben eine wirklich gute Zeit.