1975 veröffentlicht Bob Dylan „Blood On The Tracks“, das fortan gerne als die „Mutter aller Trennungsalben“ bezeichnet wird. Gemeinsam mit dem ein Jahr später erschienenen Nachfolgewerk „Desire“ ragt diese Platte wie ein Monolith über die ansonsten eher triste 70er-JahreLandschaft Dylans. Aber auch konzeptionell ist „Blood On The Tracks“ im Schaffen des Songwriters einzigartig. Zum 50. Jubiläum begeben wir uns auf die Suche nach einem Meisterwerk der Rockgeschichte.
Bereits der blutrünstige Titel des Albums ist rätselhaft, der deutsche Dylan-Übersetzer Carl Weissner übertrug ihn sinngemäß mit „blutige Fährte“, verwendete also einen Ausdruck aus der Jagd. Man könnte aber auch „Blut auf den Spuren“ sagen, wobei mit den titelgebenden Spuren hierbei nicht nur die Fußabdrücke des Gejagten, sondern auch die Tonspuren einer Aufnahme gemeint sein könnten: ein Album also, dessen Aufnahme seinem Schöpfer bis aufs Blut alles abverlangt hat. „Ich denke, er wollte uns sagen, dass es auf der emotionalen Ebene eine Unmittelbarkeit in dem gibt, was er uns hier mitteilen will, dass es gewissermaßen in den (Ton)Spuren zu finden ist“, mutmaßt David Yaffe, Autor des Buchs „Bob Dylan: Like A Complete Unknown“.
Traurige Songs voller poetischer Wucht
Dylan sagte Jahre später über das Album: „Ich höre immer wieder, dass viele Menschen das Album genießen. Wie kann man so traurige, ernüchternde Songs genießen?“ Denn trotz der poetischen Wucht, die viele der Songs entfachen, ist die Wut und Verzweiflung niemals fern. Kein Wunder, denn obwohl Dylan als Geschichtenerzähler immer die Masken seiner Figuren anprobiert, lauert hinter all diesen poetischen Fassaden – etwa Cowboy, Gangster, Tagedieb – ein konkretes Anliegen: die Verarbeitung des schleichenden Endes seiner Ehe mit Sara Lowndes, die 1977 geschieden wurde. Auch wenn Dylan dies immer wieder vehement bestritten hat, nicht zuletzt, weil die Lieder eher metaphernreiche Geschichten entfalten und von unterschiedlichen Erzählern intoniert werden, die möglicherweise sogar aus verschiedenen Epochen stammen. „Viele Menschen glauben, das Album beziehe sich auf mich. Das ist nicht richtig, die Songs beziehen sich nicht auf mich“, erzählte Dylan noch zehn Jahre später.
Die Lieder eint jedoch die von Yaffe erwähnte emotionale Intensität, mit der um das Thema der enttäuschten Liebe gekreist wird. Trotzdem wurde vor allem ein Zitat von Dylans Sohn Jakob, seines Zeichens selbst erfolgreicher Rockmusiker, bekannt: „Wenn ich diese Songs höre, dann höre ich meine Eltern miteinander sprechen.“ So muss Dylan gar keine Bestandsaufnahme seiner Ehe abgeben, um deren Scheitern zu besingen, sondern er kleidet sein Leid, seine Zweifel und seine Wut in symbolistische Poesie, die er zunächst mit ganz einfachen Mitteln einspielt, bevor er sich teilweise eines Besseren besinnt und die Idee eines reinen Akustik-Albums spontan wieder verwirft. Was die Inspirationsquelle für seine Texte auf „Blood On The Tracks“ betrifft, so setzte Dylan in seinem autobiographischen Buch „Chronicles“ noch einen drauf: „Eine ganze LP beruht auf Tschechows Novellen, doch die Presse glaubte, sie sei autobiographisch“, ...