Bis heute gilt die 1968 von Schlagzeuger Jon Hiseman und Saxophonist Dick Heckstall-Smith in London gegründete Band Colosseum als Ausnahmeerscheinung. Niemand hat zuvor so unerschrocken und erfolgreich Rock, Blues, Jazz und Klassik zu einzigartigen Klangwerken fusioniert. Wir sprachen mit Gitarrist und Bandleader Clem Clempson über das brandneue Album „XI“, die kommende Tournee und das erstaunliche Erbe der Band.
eclipsed: Es ist erstaunlich, was ihr in den letzten fünf Jahren zustande gebracht habt. Nach dem Tod von Jon Hiseman im Jahr 2018 hat kaum jemand geglaubt, dass die Band eine Wiedergeburt erleben würde. 2022 kam dann euer Comeback-Album „Restoration“ und die anschließenden Konzerte zeigten euch auf einem wunderbaren Höhenflug. Nun setzt ihr mit „XI“ noch einen drauf. Wie habt ihr das hinbekommen?
Clem Clempson: Nick, Mark und ich haben die neuen Tracks teilweise unabhängig voneinander und zum Teil gemeinsam geschrieben. Und es gibt zwei Coverversionen, eine Jack Bruce-Nummer, bei der ich den Lead-Vocal-Part übernommen habe, und einen Song von Van Morrison, den Chris Farlowe, der eng mit Van befreundet ist, ins Spiel gebracht hat. Grundsätzlich wollten wir die Tradition bedienen, Blues und Jazz Hand in Hand einhergehen lassen, dabei jedes Bandmitglied beteiligen. Ich hoffe, dass „XI“ neue und alte Fans ansprechen wird.
eclipsed: Wenn man’s richtig nimmt, feiern wir ja bereits die zweite Wiedergeburt eurer Band, oder?
Clempson: (lacht) Das kann man so ausdrücken. Nach unserem Abschiedskonzert im Februar 2015 im Londoner Shepherd’s Bush Empire haben wir ja bald gemerkt, dass uns etwas Wesentliches im Leben gefehlt hat. Es macht einfach sehr viel Freude und gibt dir Kraft, wenn du mit Colosseum auf der Bühne stehen kannst.
eclipsed: Und wie euch da oben auf der Bühne, geht’s auch dem Publikum. Mit den neun neuen Tracks auf „XI“ bedient ihr tatsächlich alle Facetten, die die Musik von Colosseum bereits in ihrer ersten Phase von 1968 bis 1971 ausgezeichnet hat. Dabei sticht die „English Garden Suite“ besonders heraus, erinnert nicht nur von der Länge, sondern auch von der musikalischen Güteklasse her an die legendäre „Valentyne Suite“. Wie ist das mit der Suite abgelaufen?
Clempson: Nach Konzerten wurden wir von den Fans seit Jahren gefragt, ob wir nicht nochmal eine große Suite-artige Komposition machen könnten. Das hat nun endlich Früchte getragen. Unser Keyboarder Nick hat uns dann eines Tages mit dem Demo für die „English Garden Suite“ überrascht. Und wir haben uns angeschaut und gesagt: Die Zeit ist reif, lasst uns das jetzt gemeinsam anpacken.