DEEP PURPLE 50 - Teil 3: Die Sänger

1. Juni 2018

Deep Purple

DEEP PURPLE 50 - Teil 3: Die Sänger

„It’s the singer, not the song“, diese These traf nur sehr selten auf Deep-Purple zu. Einerseits war die instrumentale Präsenz und Potenz in all den fünf Bandjahrzehnten mindestens immer auf einer Stufe mit dem Leadgesang. Und solange Ritchie Blackmore in der Band war, versorgte er die Band mit Songideen, die auch mit anderen Vokalisten bestens funktioniert hätten. Auf der anderen Seite gibt es doch diese vokalen Sternstunden: „Child In Time“ gehört Ian Gillan und „Soldier Of Fortune“ David Coverdale.

Ian Gillan erzählt gerne und oft, dass er die Purple-Alben mit Rod Evans, David Coverdale und Glenn Hughes sowie Joe Lynn Turner gar nicht kenne. Aus diesem Grund befindet sich auch kein Song dieser Werke in der Setlist der aktuellen Purple-Konstellation. „Es wäre so, als würde man seine Ex-Frau mit dem neuen Geliebten beobachten“, lautet ein bekannter Satz Gillans zu diesem Thema. So schaffte es auch Blackmore nicht, ihn dazu zu bewegen, einen Knaller wie „Burn“ live zu singen. „Selbst als Ritchie ‚Burn‘ manchmal spontan anspielte und Roger, Jon und ich mit einstiegen, weigerte er sich zu singen“, erzählt ein amüsierter Ian Paice. Und Gillan hätte es gekonnt, schließlich kannte er, der leidenschaftliche Musikhörer, auch die Alben, die die Band ohne ihn eingespielt hatte.

„Mein Verhältnis zu Ian Gillan ist und war immer freundschaftlich“, sagt sein Nachfolger David Coverdale. „Aber ich bin überhaupt nicht traurig, dass er bestimmte Mk.-III-Songs nicht gesungen hat, denn das würde nicht zu Purples Mk.-II passen. Gerne hätte er ‚Mistreated‘ gesungen, doch Ritchie hatte diesen Song bewusst nicht mit Gillan spielen wollen. Und er wartete mit seiner schon einige Jahre alten Songidee, bis ich in der Band war, um diese zu vollenden. Für uns, Glenn und mich, war es klar, dass wir all die Purple-Klassiker – von ‚Highway Star‘ bis ‚Smoke On The Water‘ – bringen müssen, um den Fans die kompletten Deep Purple zu präsentieren. Nur ‚Child In Time‘ war nicht unbedingt ein Thema für mich, das ist zu sehr Ians Song. Glenn hingegen hätte sich den bestimmt auch zugetraut.“ Joe Lynn Turner stößt ins selbe Horn: „Selbstverständlich kann man Gillan, Coverdale und Hughes nicht kopieren. Aber darauf kam es bei der Setlist der Tour, die ich mit Deep Purple 1991 machte, auch nicht an. Es war Blackmore und mir wichtig, eine Setlist zusammenzustellen, die möglichst viele signifikante Purple-Songs wie ‚Burn‘ oder ‚Smoke On The Water‘ beinhaltete. Ein paar Mal spielte Ritchie sogar ‚Stone Cold‘. Okay, immerhin waren drei Leute aus dieser Rainbow-Besetzung auf der Bühne. Für mich war es einfacher, die Gillan-Songs zu singen, da mir eine zweite Stimme wie die von Glenn fehlte. In den Nullerjahren haben wir im Hughes Turner Project bei den Mk.-III-Songs prächtig harmoniert.“

Für Hughes, der im kommenden Herbst seine Show „Deep Purple Live“ auch auf deutsche Bühnen bringen wird, ist dabei klar, dass er sich nicht nur auf die Mk. III und IV konzentrieren kann, wenn er ein Purple-Set spielt. „Ich wollte nicht auf Mk.-II-Klassiker verzichten, deshalb habe ich mit ‚Higway Star‘ und ‚Smoke On The Water‘ zumindest zwei Stücke im Set, die jeder mit dieser Band verbindet.“

Das aktuelle Line-up von Deep Purple hat sich dagegen sehr beschränkt, so ist ‚Hush‘ – ein Mk.-I-Track, den Gillan schon immer geliebt hat – der einzige Seitensprung, den es sich leistet. Don Airey, der mit seiner Soloband auch nicht vor ‚Child In Time‘ zurückschreckt, findet das schade: „‚Child‘ ist für Ian in seiner jetzigen Verfassung, wo seine Stimme altersbedingt um einiges tiefer ist als in den Siebzigern, fast nicht mehr möglich. Mein Sänger Carl Sentance, aber auch Ritchies Neuer, Ronnie Romero, machen eine gute Figur bei diesem Monstertrack.“ Schon nach der Mk.-II-Reunion Mitte der Achtziger hatte Gillan Schwierigkeiten, „Child In Time“ live zu bringen, doch gehört dieser Song für Blackmore einfach zum Standardrepertoire von Purple, wenn Gillan in der Band ist. Gillan wusste das: „Als er [Blackmore] weg war, habe ich ‚Child‘ nur noch wenige Male gesungen. Da fiel eine große Last von mir ab.“

Lest mehr im aktuellen Heft...