Die Jazzbegeisterung in Schottland ist seit jeher groß, doch seit Jack Bruce hat die Nordhälfte Großbritanniens keinen Jazzmusiker von Rang mehr hervorgebracht. Das soll sich jetzt ändern, denn mit dem Drummer, Komponisten und Bandleader Graham Costello und seinem Umfeld stellt sich der schottische Jazz völlig neu auf. Allerdings fremdelt der Glasgower mit dem Begriff Jazz. „Ich greife nicht wirklich gern auf das Wort Jazz zurück. Meine Musik hat weder etwas mit Swing zu tun noch mit dem typischen Jazzreflex, auf einem kurzen Thema lange Improvisationen aufzubauen. Die ganze Jazztradition ist für mich völlig irrelevant. Ich sehe mich als Komponisten, der sich eher an Noise und Minimal Music orientiert. Bevor ich meine Band Strata gründete, hatte ich selbst in einer Noise-Rock-Band gespielt. Kategorien wie Jazz und Rock gehören für mich aber der Vergangenheit an. Frühere Generationen mögen sie benötigt haben, für mich hingegen sagen sie nichts mehr aus.“
Recht hat er. Die Musik des Schotten kann man am besten zwischen den Polen Mogwai und Portico Quartet verorten. Auf seinem neuen Album „Second Lives“ hat er zwei Bläser, es ist instrumental und polyrhythmisch. All das rechtfertigt freilich die Bezeichnung Jazz, doch ebenso gut kann man auch auf sie verzichten. Costello geht es um die musikalische Verarbeitung seiner eigenen Lebensumstände, und er lässt sich dabei nicht in irgendein Schema pressen. In dieser Hinsicht ist die Musik des Youngsters eine Art Utopie. Sie ist gleichermaßen sehr entspannt und hypnotisch, auf der anderen Seite aber auch aggressiv und aufgewühlt. Costello weiß zwischen diesen Extremen zu vermitteln und einen Weg des Ausgleichs zu finden. „Selbst wenn das Album aus einzelnen Tracks besteht“, so Costello, „geht es mir immer um einen kontinuierlichen Strom von Energie...“