DIE 80er - Geliebt und gehasst - ein polarisierendes Jahrzehnt

20. Dezember 2019

80er Jahre

DIE 80er - Geliebt und gehasst - ein polarisierendes Jahrzehnt

Wohl kein anderes Jahrzehnt polarisiert musikalisch so sehr wie die 1980er-Jahre. Es war das Jahrzehnt, in dem Popmusik, nachdem sie in den 70ern bereits zum Big Business geworden war, zu ihrer kommerziellen Blüte fand, vorgetragen im vollen Bewusstsein um ihr Potenzial, die Massen zu bannen. Ein Jahrzehnt der seltsamen Klamotten, der synthetischen Klänge, aber auch des ironisierenden Spiels mit der Bedeutung von Pop an sich, in dem zahlreiche Stile sich gegenseitig befruchteten und neue Wege beschritten wurden. In einer mehrteiligen Serie erinnern wir uns an eine Zeit, die vielschichtiger und komplexer war, als viele sie in Erinnerung haben.

Die 70er-Jahre endeten mit einem großen Knall: Der Punk explodierte in eine Musikszene hinein, die drohte, selbstzufrieden und träge zu werden. Mit rotziger Do-it-yourself-Attitüde wandte er sich gegen die vielzitierten Rockdinosaurier mit ihren gigantomanischen Shows, ihrem Halbgötterstatus und ihren Eskapaden. Nicht ganz zu Unrecht, denn seien es Led Zeppelin, The Who, die Rolling Stones, die Ex-Beatles oder Prog-Acts wie Yes und ELP – eine gewisse Ermüdung war nicht von der Hand zu weisen, geschuldet sicherlich auch einigen exzessbedingten Todesfällen, die das Rockzeitalter zusätzlich in ein Licht der Vergänglichkeit tauchten.

In den USA war Punk anders als in Großbritannien eher in der Künstlerszene verwurzelt. Dementsprechend entstand dort mit Bands wie Suicide, Devo, Blondie oder den Talking Heads aus dem Punk die intellektuellere, spielerischere New Wave, die wiederum einen großen Einfluss auf die Entwicklung der britischen Musikszene haben sollte. In der konsequenten Weiterverfolgung des Punk-Ansatzes entdeckte man dort den Synthesizer für sich, der auch weniger musikalisch versierten Zeitgenossen ganz neue Möglichkeiten bot. Simpelste, aber einprägsame Melodien zu programmierten Rhythmen gespielt: Man konnte viel experimentieren, und ein Gespür für eine passende Tastenkombination reichte Anfang der 80er schon für einen Hit, wie sich etwa anhand der ersten Stücke von Depeche Mode oder OMD nachvollziehen lässt, die prägend wurden für die musikalische Entwicklung des Jahrzehnts. Die Folge war ein grundlegender Umbruch im Hinblick auf den Sound der Popmusik. Aus dem gut abgehangenen Gitarrengott wurde der nach dem Vorbild David Bowies androgyn geschminkte Tastengott. Aus der New Wave entstand schnell die New Romantic, wobei optisch auffällige Formationen wie Duran Duran oder Culture Club von der zweiten großen Innovation des jungen Jahrzehnts profitierten: dem Siegeszug der Videoclips. Plötzlich war die Optik ein wesentlicher Faktor bei der Vermarktung von Musik. So erinnert sich Howard Jones („What Is Love?“, 1983): „Entscheidend für einen Musiker in den 80ern war, dass man mit Videos arbeitete und es Kanäle wie MTV gab, die ein Millionenpublikum erreichten. Natürlich waren nicht alle Clips gut. Aber das Ganze war spannend.“

Qualität versus Kommerzialisierung

Eine zunehmend wichtige Rolle spielten dabei die Produzenten. Früher oft im Hintergrund werkelnd, wurden sie in den 80ern im Zuge der digitalen Revolution zu den Masterminds an den Reglern und damit selbst zu Stars, die mit ihren Vorstellungen den Sound der Bands prägten und ihnen oft eine neue Identität verpassten – man denke nur an die Zusammenarbeit von Daniel Lanois und Brian Eno mit U2. Nicht zuletzt stellten Synthiesound und Videoclips auch für etablierte Künstler eine Chance dar, sich neu zu erfinden; man darf sogar vermuten, dass viele Bands ohne den Zwang zur Neuorientierung, der mit den Innovationen einherging, irgendwann sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden wären. Denn es gab ja durchaus einen Grund, nicht blind gegenüber technischen Neuerungen zu sein: das Geld. Die Musikindustrie war immens gewachsen, und jeder wollte ein Stück vom Kuchen abhaben. Plötzlich wurde eine Band wie Yes dank des knackigen Sounds ihrer 83er-Single „Owner Of A Lonely Heart“ und des dazugehörigen Videos von einer neuen Generation entdeckt. David Bowie, immer schon auf der Höhe der Zeit, erkannte für sich einen Weg, aus der Isolation seines Kultstardaseins herauszukommen, engagierte den Disco-Experten Nile Rodgers als Co-Produzenten und spielte 1983 den Millionenseller „Let’s Dance“ ein, ein Album, das zwar musikalisch eher mittelmäßig, aber auf der Höhe der Zeit war (natürlich mit einprägsamen Videoclips). Sozusagen ganz nebenbei „erschuf“ er im Verbund mit Michael Jackson, Madonna, Phil Collins oder Prince ein weiteres Phänomen der 80er: den globalen Superstar. Musikalisch standen diese Künstler für ein aus heutiger Sicht recht heterogenes Gemisch aus Funk, Pop, Rock, Soul und – im Fall von Prince – gelegentlichen Ausflügen in die Ära des verblichenen Gitarrengotts. Qualität war da nicht unbedingt entscheidend, das Image und die Vermarktung eines globalen Produkts rückten in den Mittelpunkt.

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