Sie pfiffen auf dem letzten Loch: 1974 existierte die englische Bluesrockband Fleetwood Mac eine Zeitlang nur noch auf dem Papier. Aber der Zufall kam zu Hilfe, und das folgende Jahr wurde zum Beginn dessen, was man in der Branche ehrfürchtig „The Mac Attack“ nannte. Wir beleuchten, wie es zu diesem fulminanten Neustart kam, was Buckingham/Nicks in der Zeit davor taten, werfen einen Blick auf die Schlüsselsongs des Hit-Albums und zudem auf die Mac-Ersatzband Stretch.
Vielleicht reibt er sich skeptisch das Kinn. Vielleicht hebt er auch überrascht die Augenbrauen oder kratzt sich am Kopf. Verlässlich überliefert ist nichts von alledem. Fakt aber ist: Mick Fleetwood staunt. Der Mann, mit dem er an diesem Herbsttag des Jahres 1974 in einem mexikanischen Restaurant im San Fernando Valley, Los Angeles, sitzt, stellt Bedingungen. Mutige Bedingungen. Jedenfalls für einen gewöhnlichen kalifornischen No-Name-Barden. Aber er weiß, dass er die besseren Karten hat. Und Mick Fleetwood weiß das auch.
Also wirft der Drummer eventuelle Zweifel über Bord, und die beiden kommen ins Geschäft: Der 25-jährige Lindsey Adams Buckingham akzeptiert das Angebot von Fleetwood Mac, den scheidenden Gitarristen Bob Welch zu ersetzen. Und: Mick Fleetwood ist einverstanden, dass der Neue seine Lebensgefährtin, die 26-jährige Singer-Songwriterin Stephanie Lynn „Stevie“ Nicks, mit in die Band bringt. Fleetwood hat gute Gründe für seine Entscheidung, und er hat ein gutes Gefühl. Dabei hat die Band noch keinen Ton mit den beiden gespielt. Fleetwood aber verlässt sich auf sein Gespür. Jahre später wird er in seiner Autobiografie schreiben: „Wir haben immer alles aus dem Bauch entschieden.“
Annus horribilis
Das Übereinkommen der beiden Musiker ist nichts weniger als die Neuerfindung einer Rockband, deren Großtaten schon ein halbes Jahrzehnt zurückliegen – im schnelllebigen Popgeschäft eine Ewigkeit. Obendrein können Fleetwood Mac das zu Ende gehende Jahr 1974 getrost als Annus horribilis verbuchen. Schlimmer: Ohne die beiden Neuzugänge wäre die Band nach sieben turbulenten Jahren, neun Studioalben und Welthits wie „Albatross“ und „Man Of The World“ vermutlich sang- und klanglos dahingeschieden.
Rückblende: Im Winter 1970 feiern Fleetwood Mac im heimischen Königreich mit „Oh Well“ ihre dritte Top-Ten-Single. Nun, im März, machen sie auf ihrer Europatournee Station in München. Nach dem Konzert im Circus Krone nehmen Gitarrist Peter Green und zwei Roadies eine Einladung der Kommunarden Rainer Langhans und Uschi Obermaier an. In deren Haus auf dem Land werden mit LSD versetzte Drinks gereicht – für Green, der seit einiger Zeit mit der synthetischen Droge experimentiert, wird es ein Trip ohne Wiederkehr. Seine fragile Psyche nimmt endgültigen Schaden, seiner Rolle als Popstar und kreativer Kopf der Gruppe kann er nicht mehr gerecht werden ...