Biblischer Stoff hat es ihm angetan: Auf seinem neuen Soloalbum „Sola Gratia“ beschäftigt sich der US-Progger NEAL MORSE mit der Geschichte des Apostels Paulus. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn, das Leben Martin Luthers, Sinnfindung und Glaube wurden von ihm bereits in Konzeptalben behandelt. Mit der Idee, ein Album über den sprichwörtlich gewordenen Wandel des Christenverfolgers Saulus zum Jesus-Anhänger und Missionar Paulus zu schreiben, ging Neal Morse schon seit geraumer Zeit schwanger. Nach „Sola Scriptura“ (2007) ist „Sola Gratia“ sein zweites Album, das mit einem reformatorischen Grundsatz betitelt ist. Wie Morse im Interview erzählt, war der Auslöser dafür ein akustisches Missverständnis.
eclipsed: Wie kam es zu dem zweiten „Sola“-Album?
Neal Morse: Mich haben mehrfach Leute darauf angesprochen, diese Geschichte zu vertonen. Anscheinend sehen sie mich als diesen Konzeptalben-Typen für biblische Geschichten. (lacht) Anfang des Jahres hatten sich so einige Ideen bei mir angesammelt. Als ich mit meiner Frau Cherie auf einer Kreuzfahrt nach Neuseeland war, kamen etliche Einfälle dazu, die ich gleich ausprobierte. Meine Frau rief aus einem Nebenraum: „Das ist gut, du solltest ein Soloalbum daraus machen.“ Ich verstand aber „Sola“ und fand sofort, dass das perfekt passen würde. Nach „Sola Scriptura“ nun eben „Sola Gratia“. Um es vorwegzunehmen: Ich hatte letztendlich so viele Ideen, dass es wohl noch für ein weiteres Album reicht ...
eclipsed: Was bedeutet die Geschichte des Apostels Paulus für dich persönlich?
Morse: Eine Menge! Wie sich dieser böse Mensch verändert, vom Christenverfolger und sogar Mörder zu einem Christen wandelt, weil sich Gott ihm zuwendet und sein Herz erreicht, ist einfach wunderbar.
eclipsed: Findest du sie heute noch wichtig?
Morse: Sehr wichtig. Ich finde, wir heutigen Menschen ähneln den Pharisäern, den damaligen höchsten Schriftgelehrten, die dazu neigten, sich von anderen, ihrer Meinung nach „Befleckten“ abzugrenzen. Unsere Einstellung ist ähnlich: „Wir sind die Auserwählten – ihr nicht.“ Der Song „Building A Wall“ beschäftigt sich damit. Er drückt aus: „Wir wollen eine Mauer zwischen uns und euch bauen, um euch draußen zu halten.“
eclipsed: Das klingt bekannt. Hattest du beim Schreiben da die jüngeren Geschehnisse in den USA im Hinterkopf, Stichwort Trump und die Mauer an der Grenze zu Mexiko?
Morse: Mir war schon klar, dass man diesen Vergleich ziehen kann, und irgendwie passt das ja auch. Aber nein, ich hatte eher den symbolischen Aspekt im Sinn. Dieses elitäre Denken der höchsten religiösen Vertreter, das Sich-Abschotten ist weit weg von dem, was Jesus meinte, als er vom „Reich Gottes“ sprach. Paulus griff diesen Gedanken von einer Welt ohne Nationen auf.