eclipsed: Du schreibst eine Art Band-Tagebuch („KariBook“), in dem es heißt: Nicht Erfolg sei dir wichtig, sondern die Passion für die Musik und die Möglichkeit, dich musikalisch auszudrücken. Das war so und ist immer noch so?
Oliver Rüsing: Das ist immer noch meine Hauptantriebskraft, ja. Ich habe Kunst studiert. Und was mich geprägt hat, das ist, dass die Qualität darin besteht, dass du deine eigene Authentizität irgendwie erhältst und auch deinen eigenen Gesetzlichkeiten folgst, sofern das irgendwie möglich ist. Ich bin kein besonders extrovertierter Mensch, da fällt mir das etwas leichter.
eclipsed: Wie du mit deiner Musik auf Menschen wirkst, ist nicht wichtig?
Rüsing: Ich will jetzt nicht sagen, dass es mich überhaupt nicht tangiert, was die Außenwelt sagt. Aber mich hat bis heute die Faszination des Schönen im Griff. Und wenn ich etwas schreibe, habe ich oft das Gefühl, das fliege da irgendwie so rum und ich würde nur zugreifen. Ich bin so ein Mensch, dem glücklicherweise nie die Ideen ausgehen. Und ich habe eine unglaubliche Freude daran, wenn irgendetwas Neues entsteht. Das ist erst mal das Wesentliche und hält das ganze Ding bei mir am Laufen.
eclipsed: Es gab eine Zeit, in der du nichts veröffentlicht hast. Warum?
Rüsing: Ich habe ja jahrelang für mich allein gewurschtelt, bis ich irgendwann doch festgestellt habe: Es wäre ganz gut, mal wieder Publikum zu haben. Was dann noch dazukam, nachdem dieses Projekt 13 Jahre lang völlig unter dem Radar geflogen ist, war, dass ich gemerkt habe: Wow, das bringt auch anderen Menschen eine ganze Menge für ihr Leben. Das fand ich natürlich absolut toll.
eclipsed: Vor allem mögen Progfans die Musik, obwohl du dich nicht auf eine Spielart festlegen willst, oder?
Rüsing: Was ich nie richtig gemocht habe – man kennt das aus der Progszene: Du wirst sehr schnell in eine Schublade gesteckt. Wenn ich gefragt werde, wie meine Musik klinge, da läuft mir immer alles den Nacken rauf und runter, denn du suchst natürlich automatisch nach irgendwelchen Direktvergleichen. Wenn ich aber überlege, wie viele Einflüsse da im Laufe meines Lebens eine Rolle gespielt haben, kann man das nicht auf ein Genre begrenzen. Es gibt einige, die eine größere Rolle gespielt haben, wie die frühen Marillion oder auch Dream Theater. Aber ich bin eben auch mit Kiss groß geworden, habe Tears For Fears gemocht usw. Und irgendwie habe ich das auch nie verloren. Wenn mich daher jemand fragt, nenne ich das, was ich mache, gern „Prog’n’Roll“. Es hat sehr viel Melodisches und Geradliniges, aber es kann auch sehr komplex sein, wenn es passt.
eclipsed: Also lässt du die Frage offen?
Rüsing: Ich bin ein Suchender, probiere alles Mögliche aus. Fürs „MOnuMENTO“-Album zum Beispiel habe ich die Spielzeuge meiner Kinder gesampelt und angefangen, mit einem Xylophon oder sonstigen Geräten herumzuspielen. Neulich habe ich mir eine Lautenharfe gekauft, einfach nur, um zu probieren und zu gucken, was entsteht. Das ist, was ich unter „progressiv“ verstehe. Es gibt KariBow-Stücke, die sind drei Minuten lang, und welche, die sind 52 Minuten lang. Sich diese künstlerische Freiheit zu erhalten, ist ein unheimliches Gut.