Dieser Tage erscheint mit „The Power And The Glory“ die erste Veröffentlichung in einer hoffentlich langen Reihe von Neuausgaben der Alben von Gentle Giant. In den letzten Jahren gab es zahlreiche, teils halbherzige Versuche, die Werke wieder ins Bewusstsein der Prog-Fans zu rücken. Nun aber hat sich Steven Wilson – nach King Crimson, Jethro Tull und Yes – der wohl komplexesten aller Prog-Legenden angenommen und ihr seine Remix-Künste zur Verfügung gestellt. Das Ergebnis ist phänomenal. Plötzlich meint man, jedes einzelne der zahlreichen Instrumente, die einen Gentle-Giant-Song formen, gesondert herauszuhören. eclipsed sprach mit Frontmann Derek Shulman über die bewegte Karriere einer Band, die unbeirrt ihren Weg gegangen ist.
eclipsed: Als ihr 1966 anfingt, nanntet ihr euch Simon Dupree & The Big Sound und ward eine Popband…
Derek Shulman: Na ja, Pop ist nicht ganz richtig, es war auch Soul und R&B mit drin, aber ja, es war eben eine Band ihrer Zeit, die ich mit meinen Brüdern Phil und Ray gegründet hatte. Wir waren noch Kinder, ich war noch keine zwanzig, und Ray ist ja noch zwei Jahre jünger. Aber ich finde die Band aus heutiger Sicht gar nicht mal so schlecht. Wir hatten ja diesen einen großen Hit, „Kites“, der noch heute im britischen Radio gespielt wird. Und als wir die Band schließlich auflösten, war sie durchaus noch gefragt.
eclipsed: Aber ihr habt euch dann doch recht plötzlich entschieden, eine ganz andere Art von Musik zu machen: progressiv und komplex. Wie kam es zu diesem radikalen Richtungswechsel?
Shulman: Wir kommen aus einer sehr musikalischen Familie, unser Vater war professioneller Jazztrompeter, er liebte aber auch klassische Musik, und während unserer Kindheit lief den ganzen Tag Musik im Haus. Also überlegten wir uns, endlich Musik zu machen, die uns herausfordert, die aber auch richtig Spaß macht. Wir hatten wohl recht viel Geld beiseite gelegt, denn wir nahmen uns fast ein Jahr Zeit, die Band zusammenzustellen. Als dann Kerry Minnear, der über eine klassische Musikausbildung verfügte, dazu stieß, war die Richtung endgültig klar. Zumal ja auch Ray eine klassische Geigenausbildung genossen hatte.
eclipsed: Stimmt es, dass Elton John sich bei euch als Sänger beworben hatte?
Shulman: Nein, als Keyboarder. Reg, wie er damals noch hieß, hatte ja in einem der letzten Line-ups von Simon Dupree & The Big Sound mitgespielt, und er wollte dann auch bei Gentle Giant mitmachen. Er hatte gerade angefangen, mit Bernie Taupin zusammenzuarbeiten, und spielte uns einige ihrer Kompositionen vor, „Your Song“ und „Empty Sky“ waren darunter. Und wir sagten ihm dann, dass das zwar schöne Songs seien, aber nicht das, was wir anstrebten. Sein Glück, dass wir ihn nicht genommen haben. Zwei Jahre später war aus Reg Elton John geworden, und wir spielten in irgendwelchen schmierigen Absteigen und hofften auf den Durchbruch. (lacht)