KING CRIMSON - Immer wieder auf Anfang

20. April 2016

King Crimson

Als der Bassist Peter Giles im Juni 1968 auf eine Anzeige im „Melody Maker“ antwortete, in der die frühere Fairport-Convention-Sängerin Judy Dyble nach Mitmusikern suchte, konnte er nicht ahnen, dass dies die Geburtsstunde einer der bedeutendsten englischen Rockbands werden würde. Giles hatte mit seinem Bruder Michael am Schlagzeug und dem Gitarristen Robert Fripp ein paar Monate zuvor das erfolglose Album „The Cheerful Insanity Of Giles, Giles & Fripp“ eingespielt. Gleichzeitig schrieb Dyble mit ihrem Freund, dem Multiinstrumentalisten Ian McDonald, und dem Dichter Peter Sinfield Songs, für deren Einspielung sie Mitstreiter suchten.

Die Giles-Brüder und Fripp schienen die ideale Besetzung zu sein, nicht zuletzt deshalb, weil sie ihren noch gültigen Plattenvertrag mit dem Label Decca mitbrachten. Peter und Michael Giles wiederum erkannten schnell, welch außergewöhnlicher Musiker McDonald war; zu Dyble indes bekamen sie keinen rechten Draht. Nachdem auch ihre Beziehung zu McDonald endete, verließ die Sängerin das entstehende Projekt. Peter Giles schmiss ebenfalls frustriert das Handtuch, nachdem sein Wunsch nach einer folkigen Ausrichtung von Fripp und seinem eigenen Bruder abgelehnt wurde, die eher harten Sounds zugeneigt waren. Fripp erinnerte sich an einen talentierten Sänger namens Greg Lake, für dessen Band The Shame er mal kurzzeitig als Roadie gearbeitet hatte und der auch den Bass bedienen konnte.

Im Januar ’69 begann offiziell die Ära King Crimson. Der Bandname war inspiriert von Sinfields Text zu dem Lied „The Court Of The Crimson King“ und ein Pseudonym für den Teufel. Der extrovertierte Frauenheld Lake versuchte, der Band optisch einen glamouröseren Anstrich zu verpassen, so schleppte er etwa Fripp in Klamottenläden: „Der Typ kleidete sich wie ein Oberschüler“, erinnert sich Lake, „also ging ich mit ihm shoppen. Am Ende sah er wenigstens aus wie ein Hippie!“ Angeblich zeigte er dem schüchternen Gitarristen auch, wie man Mädchen abschleppt.

Im Verbund mit Sinfields wegweisender Lightshow bekamen King Crimson nach und nach ein düsteres, gleichwohl kraftvolles Image: „Ihr Name“, schreibt Bandbiograf Sid Smith, „war gleichzeitig kühn und kraftstrotzend, er fasste ihre Entschlossenheit, ihre Selbstbesessenheit sowie ihren Willen gut zusammen.“ Sinfield wurde, ungewöhnlich für jemanden, der nicht auf der Bühne stand, festes Bandmitglied.

Ihrem Management gelang es, erste Gigs zu buchen. Die Band trat als Vorgruppe von Tyrannosaurus Rex und Steppenwolf auf, bevor sie den Jackpot zog: Sie durfte für die Rolling Stones bei deren gigantomanischem Hyde-Park-Konzert am 5. Juli 1969 einheizen. Und obwohl King Crimson nach eigener Aussage unter ihren Möglichkeiten blieben, notierte Fripp nach dem Konzert in sein Tagebuch: „Stehende Ovationen. Riesengroßer Erfolg, die Zukunft wird zeigen, welche Bedeutung er für uns haben wird“.

Der unmittelbare Effekt war zumindest überwältigend: Ihre vorab gebuchten Shows, etwa im Marquee, waren restlos ausverkauft. Nicht hinhauen wollten indes die Aufnahmen zum ersten Album. Bereits die ersten Sessions waren ohne Ergebnis abgebrochen worden. Am 7. Juli gingen die Musiker mit Produzent Tony Clarke, der zuvor erfolgreich mit den Moody Blues gearbeitet hatte, ein weiteres Mal ins Studio, doch auch dieses Mal wollte es nicht klappen. „Es war frustrierend. Unsere ganze Energie ging dafür drauf, klingen zu müssen wie die Moody Blues“, so Michael Giles. „Clarke hatte eine Formel entwickelt und dachte, die könnte er nun jeder anderen Band überstülpen.“ Decca entließ sie daraufhin genervt aus dem Vertrag. Doch ihre Manager David Enthoven und John Gaydon schlossen einen Deal mit dem jungen Label Island und rangen diesem sogar das Zugeständnis ab, dass King Crimson ihr Debüt selbst produzieren durften. Die Geschichte nahm ihren Lauf.

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 180 (Mai 2016).