Musik für Träumer - Mit ihrem neuen Album bitten die TINDERSTICKS zur tiefenentspannten Realitätsflucht

17. Februar 2016

Tindersticks

Zugegeben: Die Briten sind schon ein merkwürdiger Haufen – seit nunmehr 24 Jahren und zehn Alben loten sie sämtliche Bereiche der gepflegten, wohltemperierten Popmusik aus, verweigern sich dem gemeinen Kommerzdenken der Musikindustrie und wechseln ihre Besetzung genauso oft wie ihre Plattenfirmen – nämlich nach fast jedem Album/Tour-Zyklus. Hatten sie sich zu Beginn dieser Dekade ausschließlich mit Instrumental-Soundtracks und Auftragsarbeiten für Museen befasst, so legen sie nun einen neuen Tonträger namens „The Waiting Room“ vor, dessen Entstehungsgeschichte Mastermind Stuart Staples wie folgt kommentiert: „Es war wichtig, mal ein paar neue Sachen auszuprobieren. Aber wenn wir nebenbei noch Ideen für die Band hatten, dann haben wir ebenfalls daran gearbeitet. Nach dem Motto: ‚Lasst uns das ausloten‘. Ende 2014 besaßen wir dann einen Haufen halbfertiger Songs, die wir interessant fanden. Da haben wir uns gesagt: ‚Vielleicht sollten wir sie auf einem Album zusammenfassen‘.“

Unaufgeregt, nüchtern, sachlich – Staples ist die Ruhe und Gelassenheit in Person. Ein großer, bulliger Schnauzbart- und Hutträger, der gerade fünfzig geworden ist, mit seiner Familie im ruralen französischen Zentralmassiv lebt und sich als Mischung aus Lebemann, Romantiker und Idealist erweist. Jemand, der das Weltgeschehen mit irritiertem Kopfschütteln verfolgt, sich im Hier und Jetzt dezent deplatziert fühlt und in seiner Musik eine Art Zuflucht erblickt. Das gilt auch für die neuen Stücke, auf denen er in Liebe, Nostalgie und hehren Idealen schwelgt und mit „We Are Dreamers!“ zugleich eine naiv-charmante Kampfansage gegen Terror und Gewalt macht. „Als Künstler muss man die Realität aushebeln“, philosophiert er, ohne mit der Wimper zu zucken. „Also alles, was in den letzten Monaten um uns herum passiert ist. Denn Kreativität soll Spaß machen und ein Abenteuer sein. Wenn das nicht vorhanden ist, lässt sich folgerichtig auch keine spannende Musik machen. Deshalb muss man alles andere ausblenden – und seine Ängste und Sorgen in etwas Positives verwandeln.“

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 178 (März 2016).