PIOTR GRUDZIŃSKI - 15.3.1975 - 21.2.2016

16. März 2016

Riverside

Es gibt Texte, vor denen man sich fürchtet, sie eines Tages schreiben zu müssen. Dass ich gezwungen bin, während meiner aktiven Zeit als Musikjournalist einen Nachruf auf Piotr Grudziński zu formulieren, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Wir sind quasi gleichaltrig. Doch Grudziński ist am 21. Februar gestorben. Mit vierzig Jahren. Sein Herz hat plötzlich versagt, heißt es. Wie viele andere Musikfans hat Piotr Grudziński auch mich mit seinem Spiel sehr oft tief berührt.

Dabei hegte der in Warschau geborene Gitarrist selbst stets Zweifel an seinen Fähigkeiten, reagierte oft verwundert (aber auch beglückt) über Komplimente. Oft haderte er mit seinem Spiel, das im Metal verwurzelt war. „Ich bin eigentlich ein echter Metaller. Nachdem ich 1988 ,Seventh Son Of A Seventh Son‘ von Iron Maiden gehört hatte, wollte ich Gitarrist werden“, erzählte er mir einmal. „Ich habe daher nie gelernt, im ,progressiven‘ Sinne zu spielen.“ Er war zunächst Mitglied in den Metal-Formationen Groan und Unnamed. Ende 1999 spielte ihm der Schlagzeuger Piotr Kozieradzki etwas von Marillion vor. Sie entdeckten, dass sie die Leidenschaft für progressive Klänge verband; die Idee für ein gemeinsames Projekt war geboren.

Grudzińskis Beiträge auf den sechs Alben, die er seit 2003 mit Riverside veröffentlichte, verraten einen hochemotionalen Künstler. Songs wie „Second Life Syndrome“, „Under The Pillow“, „We Got Used To Us“ oder „The Same River“ krönte er stets mit gefühlvoll-magischen Momenten. „Geschwindigkeit und technische Perfektion haben mich nie sonderlich interessiert. Ich bin immer auf der Suche nach Klängen und Melodien, die direkt Herz und Seele berühren. Deshalb verehre ich auch David Gilmour so sehr, denn er schafft es nach wie vor auf unnachahmliche Weise, mit nur ein paar Noten unglaublich viel zu sagen.“ Von einem Idol wollte Piotr bezüglich Gilmour aber nie sprechen, sondern verwies lieber auf seine Eltern: „Sie sind meine größten Idole, durch sie bin ich das, was ich bin“. Seine Songbeiträge als Soli zu bezeichnen, davon nahm Piotr ebenfalls Abstand. „Ich rede lieber von Melodien, denn ich möchte eine Geschichte erzählen und nicht, wie gut oder schlecht ich bin.“

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 179 (April 2016).