THE ROLLING STONES - Blaue Lippen soll man küssen

23. November 2016

The Rolling Stones

Chicago-Blues ist, so die lexikalische Definition,  eine Spielart aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die auf der Flucht verarmter schwarzer Landarbeiter aus den Südstaaten in den mittleren Westen der USA basiert. Durch ihn wurden der „klassische Blues“ und der Country-Blues zu einer urbaneren Variante zusammengeführt: stärker am Jazz orientiert und technisch anspruchsvoller. Prägendes Stilelement war nicht allein die Gitarre, sondern auch das Klavier. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Chicago-Blues dann elektrisch und erlebte eine neue Blütezeit mit Künstlern wie Muddy Waters, Little Walter oder Howlin’ Wolf. Ab 1957 wandte sich das Publikum jedoch dem Soul zu.

Ein Faible fürs Leben

Anders die Situation in Europa. Dort verstehen zur selben Zeit Jugendliche und Studenten den Chicago-Blues als Protestmusik, als Ausdrucksform der Arbeiterklasse und als Soundtrack zur Rebellion. „Im Grunde war es nichts anderes als unser HipHop und Rap“, sinniert Mick Jagger. „Blues war unser Gegenstück zum Jazz und zu den Musicals unserer Eltern. Gerade Chicago-Blues war kraftvoll und dynamisch. Es war der Sound, den wir liebten und den wir auch mit unserer Band aufgegriffen haben. In den ersten drei bis vier Jahren, war das alles, was wir gespielt haben.“

Und obwohl die Band in der Folgezeit anfing, ihren Stil zu entwickeln und eigene Songs zu schreiben, so hat sie sich doch immer ihr Faible für dieses Genre bewahrt. Was sich an Stones-Klassikern wie „Midnight Rambler“, „No Expectations“ oder dem „Ventilator Blues“ ablesen lässt. Was sie des Öfteren live unterstrichen haben (gerade bei Clubshows) und was bis heute Teil ihres Aufwärmrituals ist: einfach mal ein paar Bluesnummern jammen, Spaß haben und in Stimmung kommen.

Die Blues-Pause

So war es auch im Dezember 2015, als sich die Stones in den British Grove Studios im Londoner Stadtteil Chiswick eingenistet hatten. Ein State-of-the-art-Komplex im Besitz von Mark Knopfler. Hier wollte die Band zunächst ein neues Rockalbum aufnehmen, sprich ein Werk mit Eigenkompositionen. Und zwar mit Produzenten-/Musikerlegende Don Was, den Charlie Watts liebevoll als „Rastafarian Rabbi“ bezeichnet – in Anspielung auf seine Dreadlocks und seinen Glauben. „Mit ihm zu arbeiten ist sehr angenehm. Und sei es nur, weil er respektvoll ist, gleichzeitig aber auch konstruktive Kritik äußert, was wirklich hilfreich ist“, so der Schlagzeuger.

Lest mehr im eclipsed Nr. 186 (12-2016/01-2017).