Eigentlich waren sie schon tot. Sogar mausetot. Nach zwei Alben, die sich so gut verkauften wie Schokolade mit Seifengeschmack und laut Gitarrist/Sänger Roger Hodgson auch nicht viel besser klangen, schien das Kapitel Supertramp bereits 1971 beendet – weil wirklich alles schieflief. Die Band, die damals noch aus Kevin Currie, Frank Farrell, Dave Winthrop, Rick Davies und eben Hodgson bestand, fiel nach einer desaströsen Skandinavientour auseinander. Ihr Finanzier, ein holländischer Multimillionär namens Stanley August Miesegaes, zog sich aus dem Musikgeschäft zurück, und das jüngste Album „Indelibly Stamped“ lag wie Blei in den Regalen. Nicht zuletzt wegen eines gruseligen Artworks, das eine tätowierte weibliche Brust zeigte und Hodgson bis heute peinlich ist. „Ich weiß nicht, was wir uns dabei gedacht haben“, so der Mann, der heute in der Nähe von Sacramento, im Norden Kaliforniens, lebt und inzwischen als Einziger noch die Supertramp-Fahne hochhält. „Es hatte nichts mit der Musik zu tun, es war nicht besonders ästhetisch, und es zeigte ganz klar, dass wir damals einfach keine Ahnung hatten, was wir da taten.“
Hodgson hat ein gesundes Verhältnis zum eigenen Frühwerk, er bestreitet bis heute seinen Lebensunterhalt mit Tantiemen aus dem Backkatalog sowie mit stilvollen Nostalgietourneen. „Nach ‚Indelibly Stamped‘ war ich wirklich kurz davor aufzuhören und nach Indien zu gehen“, fährt er fort. „Das war etwas, das ich schon lange vorhatte. Und der Moment schien perfekt. Denn als Band hatten wir offensichtlich keine Zukunft. Wir hatten kein Geld, wir mussten den Schlagzeuger und den Saxofonisten feuern, und Rick und ich wussten nicht, wohin die Reise gehen sollte. Klar hatten wir zu dem Zeitpunkt schon Stücke wie ‚Dreamer‘, ‚School‘ und ‚Bloody Well Right‘, aber sie waren längst nicht vollständig arrangiert. Und wenn Rick mich nicht überredet hätte, uns noch eine weitere Chance zu geben, wäre es das gewesen.“
Der Neuaufbau
Zum Glück bewiesen Hodgson und der sechs Jahre ältere Davies ein glückliches Händchen bei der Wahl ihrer neuen Mistreiter: der Schotte Dougie Thomson war ein talentierter Bassist, der die gegensätzlichen kreativen Pole der Band geschickt zusammenhielt. John Anthony Helliwell war ein guter Freund von Dougie; er hatte zuvor bei The Alan Bown Set Saxofon gespielt, bei Supertramp übernahm er zusätzlich die Klarinette und setzte sich ab und an ans Keyboard. Und bei den Konzerten fungierte er fortan als clownesker Conferencier: „Ich hatte immer einen lockeren Spruch parat, und egal wie angespannt die Atmosphäre war, es mussten alle darüber lachen“, erinnert sich Helliwell, der seinen Lebensunterhalt zwischenzeitlich in diversen Londoner Stripclubs verdient hatte: „Eine harte Schule. Du musstest die ganze Nacht spielen und dabei auf all diese Brüste und Hintern schauen – was aber gut bezahlt wurde“, lacht der 69-Jährige, der heute die Smooth-Jazz-Kapelle Créme Anglaise anführt. Durch seine Vermittlung kam 1973 auch der Kontakt zu dem Schlagzeuger Robert Layne „Bob“ Siebenberg zustande. Einem US-Amerikaner, der sich als Bob C. Benberg in britischen Bands durchschlug und dessen Schwester mit einem gewissen Scott Gorham verheiratet war. Bob lockte seinen Gitarre spielenden Schwager später von Los Angeles nach London, spannte ihn für Backingvocals auf „Crime Of The Century“ ein und schickte ihn schließlich zum Vorspielen bei Thin Lizzy – mit Erfolg.
Die Rockkommune
Somit stand also die neue fünfköpfige Formation, die über Monate an alten wie neuen Hodgson/Davies-Kompositionen feilte, Demos anfertigte und dann all ihren Mut zusammennahm, um einen Termin im Londoner Office von A&M Records zu vereinbaren – dem legendären Label von Herb Alpert, bei dem Supertramp zwar unter Vertrag, aber inzwischen insgeheim auch auf der Abschussliste standen. „Sie dachten eigentlich, wir kommen, um unseren Deal aufzulösen und hatten auch schon die entsprechenden Dokumente vorbereitet“, so Helliwell. „Doch wir wollten neu anfangen und spielten ihnen diese Demos vor, von denen sie sehr angetan waren.“ Hodgson muss instinktiv lachen, wenn er sich an diesen Moment erinnert, der ihr Leben für immer verändern sollte: „Im Grunde wussten sie gar nicht, wer wir sind. Wir klopften an ihre Tür und sagten: ‚Wir sind Supertramp – können wir uns mal unterhalten?‘ Und die Antwort war: ‚Super- wer?‘ Wir mussten ihnen erst mal klarmachen, dass wir bei ihnen unter Vertrag standen, was schon ziemlich skurril war.“