THE WHO - Die Geschichte von „Quadrophenia“

27. Juni 2014

The Who

„‚Tommy‘ hat alles verändert und uns gerettet“, erinnert sich Pete Townshend im einführenden Essay zur 2011 erfolgten Wiederveröffentlichung von „Quadrophenia“. Im Grunde waren The Who in den Sechzigern eine Singles-Band gewesen; die plötzliche Intellektualisierung der Popmusik hatte ihren Vordenker vor eine neue, unerwartete Herausforderung gestellt. „Die Menschen wollten plötzlich ‚ernsthafte‘ Musik von Popgruppen hören. Dadurch, dass wir eine Rockoper aufnahmen – nach unserer Anschauung auch nur eine Abfolge guter Singles, die jedoch ein zusammenhängendes und daher bedeutsameres und herausforderndes Musikerlebnis implizierten –, haben wir als Band eine der turbulentesten Phasen der Rockgeschichte überlebt.“

Das Problem war nur: Die Fans erwarteten mehr in dieser Richtung. Also begann Townshend Anfang der Siebziger mit der Konzeption des bis heute sagenumwobenen multimedialen „Lifehouse“-Projekts, bei dem es um eine Zukunft ging, in der Menschen über Kabeleingänge die Musik direkt aus dem Körper herausgezogen werden kann. Doch „Lifehouse“ scheiterte – zumindest in seiner geplanten Form –, da die Bandkollegen Townshends Ideen nicht folgen wollten. Der Kern der bereits vollendeten Kompositionen, darunter „Baba O’Riley“ und „Won’t Get Fooled Again“, formten dann das von der Band zunächst ungeliebte Album „Who’s Next“, das eine lose Abfolge von Songs präsentierte. Einige „Lifehouse“-Stücke tauchten auch auf Townshends 1972 veröffentlichtem faktischen Solodebüt „Who Came First“ auf. Und einige andere lagen eben noch herum und sollten zu etwas Neuem umgearbeitet werden.

Is It In My Head?

Immer noch mit dem Gefühl der Verpflichtung gegenüber den Fans, eine monumentale Rockoper zu komponieren, erarbeitete Townshend gemeinsam mit dem Journalisten Nik Cohn ein neues Konzept. „Rock Is Dead – Long Live Rock“ sollte die vier Persönlichkeiten der Bandmitglieder aufgreifen, diese mythisch verklären und, so war der letzte Stand, auf der Erzählebene in einer einzelnen Figur, Jimmy, vereinen. Cohn kam jedoch mit einem Film-Treatment zu Townshend und erzählte diesem – der Freigeist der Sechziger wehte noch ziemlich stark –, dass der fertige Film mindestens acht Stunden dauern würde, um der Story gerecht zu werden. Der eher pragmatisch veranlagte Townshend distanzierte sich zwar von Cohns Vorstellungen, doch griff er dessen Grundidee gerne auf, zumal er schon ein paar Songs für das Projekt geschrieben hatte. Die vier Charaktere von The Who sollten bei einem neuen Konzept im Mittelpunkt stehen. Seine Idee: „Four Faces“, ein Doppelalbum, auf dem jedes Bandmitglied eine Seite komponieren oder zumindest „kuratieren“ sollte – so genau hatte sich das Townshend noch nicht überlegt –, um seine Persönlichkeit musikalisch zu reflektieren.

Ein drogeninduzierter Tagtraum führte zur entscheidenden Weiterentwicklung der Idee. Townshend: „Ich nahm ja seit 1967 keine Drogen mehr, aber Ric Grech, der bei Eric Clapton Bass spielte, überredete mich, Amylnitrit zu probieren. Als ich von dem Zeug wieder runterkam, alleine in meiner Hütte in Cleeve, befiel mich plötzlich eine Erinnerung an meine Jugend: Es war 1964, ich war neunzehn und schlief mit meiner Freundin Liz Fraser unter dem Brighton Pier nach einer von den legendär gewordenen Straßenkämpfen zwischen Mods und Rockern geprägten Nacht. Ich kam damals unter dem Pier auch gerade von ein paar Uppern runter, die ich geschluckt hatte, und plötzlich kamen die Empfindungen von damals zurück; das Gefühl zu fallen, von Depression, Tragik, Verlorenheit und Hoffnungslosigkeit.“

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 162 (Juli/August 2014).