1967 - The Magical Mystery Year

15. Februar 2017

1967 Hippies The Beatles

25. April 1967, Rhöndorf bei Bonn, Waldfriedhof: Es ist der Tag, an dem die Bundesrepublik die bis heute größte Beerdigung ihrer Geschichte erlebt. Zu Grabe getragen wird der ehemalige Bundeskanzler Konrad Adenauer, der im Alter von 91 Jahren das Zeitliche gesegnet hat. Verabschiedet aber wird nicht nur der verdiente Staatsmann, im Rückblick symbolisiert seine Beisetzung auch das Ende einer Epoche – der des Wiederaufbaus, des Wirtschaftswunders und eines stickig-restaurativen gesellschaftlichen Klimas.

Es ist an der Zeit für Neues. Und dieses Neue zeigt sich auf den Straßen, in den Kneipen, in den Tanzsälen und an den Universitäten des Landes. Das Neue ist auch zu hören. Lautstark bahnt es sich seinen Weg in die Gehörgänge der Nation, man nennt es Popmusik. An ihr allerdings scheiden sich die Geister: Die junge Baby-Boomer-Generation kann nicht genug davon kriegen, während die Eltern dröhnende E-Gitarren, hämmerndes Schlagzeug und den extrovertierten Gesangsstil des Rock als „Hottentottenmusik“ verteufeln. Zu schweigen von der aufmüpfigen und narzisstischen Selbstdarstellung dieser Jugend, die man als Affront gegen den gesellschaftlichen Status quo empfindet. Dabei ist die beschauliche Bundesrepublik zu dieser Zeit allenfalls ein Nebenkriegsschauplatz auf dem verminten Schlachtfeld des Generationenkonflikts. Die wirkliche Musik spielt in den USA und in England.

Blicken wir an jenem 25. April auf die wichtigsten Protagonisten: Jimi Hendrix (24) tritt im Rahmen seiner ersten UK-Tour mit Cat Stevens, Engelbert Humperdinck, den Californians und den Quotations in der Colston Hall in Bristol auf; Bob Dylan (25) sitzt mit befreundeten Musikern im Keller eines pink gestrichenen Hauses in West Saugerties, New York, und fabriziert Hausmusik; zur selben Zeit machen sich Tausende von Teenagern aus allen Teilen der USA auf, um nach San Francisco zu trampen, dem drogengeschwängerten Zentrum der neuen Hippieszene; derweil wartet die noch völlig unbekannte New Yorker Band The Velvet Underground ungeduldig darauf, dass ihr soeben veröffentlichtes Debütalbum das Publikum aufhorchen lässt, und die 25-jährige Aretha Franklin ahnt nicht, dass ihre in vier Tagen erscheinende Single „Respect“ nicht nur ihr Leben, sondern die Black Music als solche verändern wird. Und dann sind da noch die Beatles...

I heard the news today, oh boy

Sie sind die berühmteste Popgruppe der Welt. Und gerade erst haben sie die vielleicht berühmteste aller Langspielplatten aufgenommen. Um genau zu sein: Die letzte Session für „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, eine Reprise des Titeltracks, haben John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr am 20. April in den EMI Studios in der Londoner Abbey Road aufgenommen. Kein Grund, nun die Hände in den Schoß zu legen. Schon einen Tag später nehmen sie mit „Only A Northern Song“ ein neues Stück auf, und nach einer kurzen Verschnaufpause treffen sie sich bereits an jenem 25. April erneut in den EMI Studios, um weiter am Soundtrack für den Fernsehfilm „Magical Mystery Tour“ zu arbeiten.

Zu dieser Zeit sind die Beatles in der überschaubaren Szene der Themsestadt so etwas wie die königliche Familie. Mit ihnen begann vor fast fünf Jahren die Poprevolution von Swinging London. Seitdem gelten Lennon/McCartney und ihre beiden Mitstreiter als das Maß der musikalischen Dinge. Spätestens mit den atemberaubenden Klängen ihres 1966er-Albums „Revolver“ haben sie gezeigt, dass sie meilenweit über den Status der Teenylieblinge hinausgewachsen sind und die künstlerische Entwicklung der jungen Popmusik federführend vorantreiben. John, Paul, George und Ringo marschieren – der Rest folgt.

Lest mehr im eclipsed Nr. 188 (03-2017).