Mit stolzen 87 ist Bill Wyman ein Hansdampf in allen Gassen - sei es als Buchautor, Fotograf oder Archäologe. Auch musikalisch ist er nach neun Jahren Pause (von der Outtake-Compilation „Studio Time“ von 2018 abgesehen) wieder schwer aktiv. Sein neues Solowerk trägt den Titel „Drive My Car“ und folgt nur einer Maxime: Spaß zu haben. „Das ist alles, was mich seit 1993, als ich die Band verlassen habe, interessiert: mein eigenes Ding zu machen, für das bei den Stones nie Zeit war. Allerdings nicht, um damit eine Karriere zu verfolgen. Dafür ist es eh zu spät.“ Laut Wyman war die dienstälteste Rocklegende des Planeten ein kreatives Gefängnis. Dies kompensiert er seit seinem Ausstieg mit regelrechter Arbeitswut. Unmittelbar danach rief er die Rhythm Kings ins Leben. Sein neues Soloalbum hat er im Trio mit Gitarrist Terry Taylor und Schlagzeuger Paul Beavis eingespielt. Im Fokus steht hier das, mit dem Wyman in den 1950ern aufwuchs: Rhythm & Blues, früher Rock’n’Roll, Country und altmodischer Blues, meist elektrisch, gelegentlich auch akustisch, aber immer mit der Mission, der modernen Welt vor Augen zu führen, was „richtige“ Musik ist...
Spontane Magie
Zum Weinen bringt Wyman seine Hörer zwar nicht, wohl aber zum zufriedenen Mitwippen und Lächeln. Das liegt an seinem geisterhaft-gehauchten Gesang, der an das amerikanische Singer-Songwriter-Unikum J.J. Cale erinnert, den witzig-charmanten Texten über Autos und Frauen sowie einem herrlich altmodischen Livesound. „All diese Stücke wurden in ein oder zwei Durchgängen aufgenommen, mehr nicht“, verrät Wyman. „Wenn es länger dauerte, habe ich sie verworfen und mich an die nächsten gemacht. Denn wenn man die ausgelassene Atmosphäre im Studio einfangen will, muss es schnell gehen. Genau das hört man auf dem fertigen Album.“ Die zwei Bonustracks enthaltende CD besticht neben fünf starken Eigenkompositionen auch mit insgesamt sieben gelungenen Coverversionen. Etwa „Thunder On The Mountain“ von Bob Dylan, „Ain’t Hurtin’ Nobody“ von John Prine oder „Light Rain“ von Taj Mahal – Stücke, die seit Jahrzehnten zu seinen persönlichen Favoriten zählen und mit deren Originalinterpreten er eng befreundet ist bzw. war: „Ende der 60er hing ich öfter mit Dylan ab. Seitdem habe ich nicht mehr viel von ihm gehört, was ich sehr bedaure. Bei Taj ist das anders: Ich liebe ihn seit seinem ersten Album, und wir sind über die Jahre enge Freunde geworden...“