Seit sechs Jahrzehnten ist Achim Reichel im Musikbusiness unterwegs. In seiner Autobiografie „Ich hab das Paradies gesehen“ erzählt der verkannte Superstar nun von seinem bewegten Leben zwischen Beat, psychedelischen Traumreisen und vertonter Dichtkunst.
Hätte Achim Reichel in Großbritannien eine vergleichbare Karriere hingelegt, würde ihn die Presse mit Metaphern, Ehrentiteln und Superlativen wie „musikalisches Chamäleon“, „Revolutionär“ oder „Impulsgeber für Generationen“ beschreiben. In Deutschland hingegen kennt man meist nur bestimmte Phasen seines Schaffens. Und vielleicht ist der gebürtige Hamburger ja einfach zu nett und „volxnah“, um die gebührende Anerkennung einzufordern. Eventuell vermag das aber jetzt seine hochspannende Lebensgeschichte nachzuholen, die bei Rowohlt erschienen ist.
eclipsed: Mit dem Schreiben der Autobiografie hast du neues Terrain betreten ...
Achim Reichel: Ja, und das war gar nicht so einfach. Schon seit Jahren habe ich immer wieder gehört: „Hey, Achim, du hast so viel erlebt. Schreib es doch mal auf!“ Ich dachte zuerst, dass man das so zwischendurch machen kann. Und dann zogen die Jahre ins Land, und ich schrieb immer noch. Frank Schätzing, Autor von „Der Schwarm“, meinte zu mir: „Zum Schreiben brauchst du Ruhe und Einsamkeit.“ Erst auf einer Kreuzfahrt wurde mir der tiefere Sinn dieser Aussage bewusst.
eclipsed: Mit den Rattles hast du deutsche Beat-Geschichte geschrieben und warst sogar mit Little Richard und den Rolling Stones auf einer UK-Tour.
Reichel: Als ich Little Richard das erste Mal hörte, habe ich das fast wie einen Blitzschlag empfunden. Da gab es so was Magisches, das hat dich gepackt und durchgeschüttelt. Als ich ihn dann persönlich erlebte, begeisterte mich nicht nur seine „Verrücktheit“, sondern vor allem diese unglaubliche Energie. Das war eine Art Gospel, hatte etwas Spirituelles.
eclipsed: Und dann war ja noch die bis heute als legendär geltende Bravo-Blitztournee 1966 mit den Beatles ...
Reichel: Wir kannten die Beatles noch aus den frühesten Hamburger Tagen. Das waren ja ganz normale Typen, die froh waren, wenn sich mal einer mit ihnen unterhalten wollte. Wir haben sie oft bei ihren Auftritten besucht und uns was zeigen lassen. So in der Art: „Kannst du das mal spielen, aber bitte mit halber Geschwindigkeit, und zeig mir auch mal das Riff.“ Bei der Tour waren sie schon Weltstars, und alles lief distanzierter ab. Trotzdem nett.
eclipsed: Nach der unfreiwilligen Bundeswehrzeit ging es mit Wonderland weiter, mit denen du den besonders im Osten Deutschlands beliebten Hit „Moscow“ aufgenommen hast.
Reichel: Das war eigentlich eine gewagte Sache, denn der Song ist eher kompliziert und das Album leicht psychedelisch. James Last, den ja alle „Hansi“ nannten, hat uns dabei geholfen. Der war noch einer von der alten Sorte und sah sich als Dienstleister der Plattenfirma, was überhaupt nicht negativ gemeint ist. Da musikalische Experimente zu der Zeit eher erlaubt und gefragt waren, hat er das mit uns durchgezogen. Ich habe einen immensen Respekt vor seiner Leistung. Hansi hat bei seinem Orchester alles von Hand notiert – jede einzelne Stimme, jeden einzelnen Ton. Wahnsinn.