ANN WILSON - Herzensbrecherin auf Solopfaden

17. Mai 2022

Ann Wilson Heart

ANN WILSON - Herzensbrecherin auf Solopfaden

Wenn man den Titel ihres neuen Albums „Fierce Bliss“ wörtlich nimmt, herrscht bei Heart-Frontfrau Ann Wilson eitel Sonnenschein. Doch obwohl sie bei den Aufnahmen dieser gelungenen Classic-Rock-Platte mit neuen und gecoverten Songs eine Menge Spaß hatte, betont die 71-Jährige, dass es durchaus einige problematische Aspekte aus der Heart-Vergangenheit gibt. Und dass ihre Gitarre spielende Schwester ohne sie unter dem Namen Nancy Wilson's Heart tourt, könnte für weitere Spannungen und Verwirrungen sorgen. 

Ein wenig gespannt war ich vor dem Zoom-Interview mit Ann Wilson, ob gleich ein Livebild aus ihrem Haus in Florida in meine Dortmunder Küche flattern oder sie sich wie manche (selbst männliche) ältere Rocker mit der Begründung, sie wirke heute nicht so fotogen, auf ein Audiogespräch beschränken würde. Als es dann so weit war, lächelte mich eine altersgemäß attraktiv und gesund aussehende, keineswegs übergewichtige Ann Wilson aus ihrer Küche an.

eclipsed: Schön, dich wiederzusehen. Du wirst dich nicht daran erinnern, aber das letzte Mal, dass ich dich getroffen bzw. gesehen habe, war zusammen mit deiner Schwester Nancy im Backstagebereich des niederländischen Arrow Rock Festivals 2004.

Ann Wilson: Wir haben Europa immer sträflich vernachlässigt. Während wir in Nordamerika ständig unterwegs waren, mussten von dort schon solche besonderen Festivalangebote kommen. Ich erinnere mich eigentlich nur an Europatourneen in unserer Glamour-80er-Jahre-Phase mit Hits wie „What About Love“ und „Alone“.

eclipsed: Bevor wir zu „Fierce Bliss“ und glücklicheren Momenten kommen, möchte ich in Erinnerung rufen, dass du schon 2004 mir gegenüber betont hast, dass diese Glamour-Phase, wie du es nennst, zwar megaerfolgreich, aber nicht unbedingt deine Lieblings-Heart-Ära war.

Wilson: Ich möchte dich mal austricksen und einen Vergleich zum neuen Album ziehen. Darauf gibt es neben rockigen eigenen Songs auch diese erdige, bluesrockige Robin-Trower-Nummer „Bridge Of Sighs“ und das Queen-Stück „Love Of My Life“. Musik, die ich mag, kommt von solchen Künstlern.

eclipsed: Oder von Led Zeppelin oder Elton John, Deep Purple oder den Beatles, wie du und Nancy schon oft geäußert habt.

Wilson: Genau. Und es gibt einige gute Songs auf den Alben der späten 80er, aber das waren nicht wirklich wir. Doch so war die Zeit damals, man musste sich die Haare toupieren, und von außen kamen Produzenten und Songschreiber dazu. Das hat Heart fast die Seele geraubt. Wenn man es als Job betrachtet, haben wir alles richtig gemacht damals und viel Geld verdient, aber musikalisch betrachtet sind Heart in den 70ern relevant gewesen, und ab 2004 mit „Jupiters Darling“ haben wir wieder zu uns gefunden. Ein wenig war auch Gier nach Erfolg ein Thema, so wie ich es auf dem neuen Album im Song „Greed“ beschreibe.

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