Am 25. Juli erlag die mit der Progband OCTOPUS und dem Power-Rock-Trio THE RADIO bekannt gewordene Sängerin und Bassistin Jennifer Kowa einem langjährigen Krebsleiden. Bis kurz vor ihrem Tod hatte sie noch mit ihrem Ehemann Win an der Fertigstellung von bereits 1988 aufgenommenen Songs gearbeitet, die im Juni unter dem Albumtitel „Stay Strong“ veröffentlicht wurden. Win Kowa erklärte sich trotz seiner Trauer bereit, eclipsed Fragen zum langwierigen Entstehungsprozess des Werks zu beantworten, und fand bewegende Worte über seine verstorbene Frau.
eclipsed: Herzliches Beileid!
Win Kowa: Jennifer und ich waren 46 Jahre lang Tag und Nacht zusammen. Es war die große Liebe, und wir hatten eine Harmonie und Synchronität unserer Gefühle, Wünsche und Ambitionen im Privaten wie Beruflichen, die ein Geschenk war. Ich vermisse sie sehr! Der größere Teil meiner Seele ist am 25. Juli mit ihr gegangen.
eclipsed: Wie lässt sich Jennifer als Mensch und Künstlerin beschreiben?
Kowa: Jennifer war ein sehr liebenswerter und bescheidener Mensch. Sie hat sich als Erstes immer um den anderen gekümmert und sich auch im Privaten nie in den Mittelpunkt gestellt. Als Halb-Engländerin war sie eine begnadete und leidenschaftliche Gärtnerin, handwerklich sehr begabt und eine sehr gute Köchin. Sie hatte ja drei Jahre im Studentenwohnheim der Frankfurter Uni gelebt und meistens für die Zimmernachbarn gleich mitgekocht.
Als Künstlerin war sie absolut solidarisch mit der jeweiligen Band, ihren Kollegen und Kolleginnen. Sie hatte mehrere Angebote in der Zeit von Octopus, auch aus England, blieb der Band aber sieben Jahre treu. Nie war sie sich zu schade, für das Projekt 150 Prozent zu geben: Sie war die Erste, die vor und nach dem Auftritt die Anlage geschleppt hat, und meist diejenige, die nach dem Auftritt den Lkw nach Hause gefahren hat, da die Jungs dazu nicht mehr in der Lage waren. Sie war hochprofessionell in allem, was sie tat. Die Stücke auf allen Alben waren fast immer erste Takes. Sie wusste im Studio immer, was das Beste für den jeweilen Song war, und war sofort auf der Höhe. Die meist schwierigen Texte von Octopus, die der Bassist schrieb, konnte sie sofort in eine singbare Metrik umsetzen. Sie war halt auch eine sehr gute Komponistin.
eclipsed: War sie eine unterschätzte Künstlerin?
Kowa: Ich glaube, das kann man so nicht sagen. Sie stand schon mit 13 Jahren mit Rockbands erfolgreich auf der Bühne und war mit 19 Gründungsmitglied von Octopus und so die erste Progrocksängerin in Deutschland. Jeder, der sie auf der Bühne gesehen hat, war von ihrer Stimme und Performance begeistert. Als sie später bei The Radio auch noch Bass spielte, war die Begeisterung für sie als Künstlerin ungebrochen. Nicht ohne Grund hatte sie damals Endorser-Verträge mit Sennheiser, Hiwatt und Roland. Diese Weltfirmen waren begeistert von der Kraft ihrer Stimme und ihrer Ausstrahlung auf der Bühne. Dass ihr dann, obwohl die Presse vom Power-Rock-Trio The Radio angetan war, Mitte und Ende der 80er das große Publikum verwehrt blieb, war der Tatsache geschuldet, dass durch die NDW in dieser Zeit keine Plattenfirma bereit war, The Radio zu unterstützen.