ECHOLONS))) - Hinter der mysteriösen Tür

12. Dezember 2019

XXL-Interview Echolons

ECHOLONS))) - Hinter der mysteriösen Tür

echolons))), das ist die Marburger Band, die aktuell aus den beiden Bandgründern Daniel Dorn (Gesang, Gitarre) und René Zeuner (Gitarre, Keyboards) sowie dem Bassisten Martin Brasche und dem Schlagzeuger Hendrik Prause besteht. Nach den beiden Alben „Shoshaku Jushaku, Shake!“ (2008), „About Sugar And Other Bitter Things“ (2010) und der EP „Mount Neverest“ legt das Quartett nun mit „Idea Of A Labyrinth“ sein drittes Album vor. Ein im wortwörtlichen Sinn progressiver Mix aus Artrock, Pop, Prog und Independent. Daniel Dorn und René Zeuner standen eclipsed Rede und Antwort zum neuen Werk.

eclipsed: Eine Kategorisierung eurer Musik fällt schwer. In der eclipsed-Review zum neuen Album „Idea Of A Labyrinth“ haben wir „Prog-Pop/Indie/New Artrock“ gewählt. Wie wertet ihr eure Musik selbst?

René Zeuner: Damit liegt ihr ziemlich richtig. Wir bezeichnen unsere Musik als „Independent Progressive Rock“. Wir kommen auch ursprünglich aus der Indie-Ecke, wollen aber auch sprichwörtlich etwas „unabhängig“ sein vom „traditionellen“ Progrock und eben zum Beispiel auch mit Pop-Elementen spielen, oder auch mal in den Postrock oder Metal reinschauen.

Daniel Dorn: Unsere Einflüsse sind und waren eben sehr vielfältig und das schlägt sich in unserem Songwriting immer wieder nieder.

eclipsed: Ihr habt eure Band nach dem Vorläufer des US-Überwachungssystems „Prism“ benannt. Wie seid ihr darauf gekommen? Doch bestimmt nicht nur wegen des Wortspiels, dass ihr „belauscht werden“ wollt. Und was bedeuten die drei Klammern? Ich vermute, es handelt sich nicht um eine Hommage an die Drone-Band Sunn O))).

Dorn: Den angenommenen Bezug zu den Drone-Ikonen haben wir schon oft gehört, hat aber tatsächlich nichts mit unserer Band zu tun, auch wenn es natürlich nahe liegt. Die drei Bögen imitieren Schallwellen oder auch ein Echolot. Die Geschichte hinter echolons))) reicht etwas weiter. Wir hatten früher den sehr umständlichen und verkopften Namen „This Nova Holon“ und der steckt eben auch noch in unserem jetzigen Namen echolons))). Der Begriff „Holon“ ist der antiken Philosophie entlehnt und bezeichnet ein Teil, das zugleich ein Ganzes ist: z.B. ein Atom ist für sich selbst ein Atom; zugleich aber Teil eines Moleküls, wiederum das Molekül ist Molekül für sich und Teil einer Zelle. Eine endlose Kette.

eclipsed: Das Artwork erinnert mit dem perspektivisch leicht verzerrten Gesicht etwas an Picasso. Absicht? Oder ist es doch nur „ein Labyrinth im Kopf“?

Dorn: Ich hatte Drew Roulette, dem Bassisten von dredg, einige Sachen im Vorfeld als Grundideen und Inspiration zugeschickt. Dazu gehörten zum Beispiel ein Bild eines historischen Klappatlas, der die Weltkarte auf einem Frauenkopf abbildete, sowie ein Link zum Maskengenerator zur Platte „The Hunter“ von Mastodon. Drew hat dann ein umfangreiches Artwork gemalt und Robin Helm in Hamburg das Layout gemacht. Drews roter Kopf erinnert dann tatsächlich etwas an den Kubismus, obwohl seine Kunst oft einen größeren Hang zum Surrealen und Psychedelischen hat.

eclipsed: „Idea Of A Labyrinth“ ist euer drittes Album. Es gab auch noch eine EP. Erzählt mal ein bisschen über die Geschichte der Band.

Zeuner: Angefangen haben wir als „lauteste Indie-Band Marburgs“ in den 2000er Jahren. Damals hat uns Thees Uhlmann (wohl zu Recht) mal als „Josh Homme-Gedächtniskirche“ bezeichnet, da Daniel ein riesiger Queen Of The Stone Age-Fan ist. Schon damals wollten wir aber die Genre-Grenzen sprengen und haben eher spaßeshalber mit dem Begriff Prog gespielt, der damals in der Indie-Szene recht verpönt war. Mit Keyboarder Christoph Heyd kam dann der soundtechnische Quantensprung. Und da haben wir die Indie-Fesseln endgültig abgelegt. Leider gab es auch Rückschläge: Christoph ist inzwischen wieder ausgestiegen, sowie die gesamte Rhythmusgruppe. Wir haben Familienmitglieder verloren und wussten zwischen Familien- und Berufs-/Studiums-Stress zwischenzeitlich nicht, ob wir weitermachen können. Daniel und ich haben aber irgendwie nicht aufgegeben. Ich sage manchmal, wir sind die „Anvil des Prog“. Wir haben jedenfalls jetzt die beste Rhythmusgruppe, die wir je hatten und die Keyboards programmieren wir einfach selbst.

eclipsed: Wie ordnet ihr das neue Album im Vergleich zu den Vorherigen ein?

Zeuner: Das Debüt atmet noch eindeutig den 2000er-Jahre-Gitarren-Indie. Die „Mount Neverest“-EP ist sowas wie ein Hybrid: „Believer“ könnte noch auf dem Debüt sein. „Rough Cut Wonderland“ ist hingegen ein 3/4-Stück, das von einem Piano-Motiv und mehrstimmigem Gesang getragen wird. Auf dem neuen Album verfolgen wir diesen Prog- und Artrock-Aspekt nun konsequent weiter. Dort geht die Reise hin. Den Indie-Rock wird man uns aber wohl nie ganz austreiben können.

eclipsed: Ihr selbst stellt euch in eine Nische „irgendwo zwischen U2, Incubus, Pink Floyd und Porcupine Tree“, wie es auf eurer Website heißt. Fühlt ihr euch da wohl? Welche Bewegungsfreiheit habt ihr da? Wie könnt ihr da eure eigene Identität finden?

Zeuner: Alle diese Bands haben uns gezeigt, dass es für „progressive“ Musik nicht zwingendermaßen Gitarren- oder Vokalakrobatik braucht. Vielmehr ist deren Kunst, anspruchsvolle Musik so zu spielen, dass sie dennoch zugänglich und melodiös ist. Es braucht dafür einfach nur Dogma- und Grenzen-befreites Denken, und natürlich gute Songs. Aber natürlich wollen wir nicht lediglich Epigonen unserer Helden sein. Aber in deren Geiste musizieren.

eclipsed: Das neue Album hat eine weltweite Entstehungsgeschichte. Wie kam es dazu?

Dorn: Das Album hat definitiv einige Station hinter sich. In Frankfurt bei Jörg See (Performance Studios) aufgenommen, hatte sich mein Moskauer Freund und Musiker Nick Samarin, Kopf der Postrock/Avantgarde-Band I Will Kill Chita angeboten, den Mix zu übernehmen. Das Album hat ihn sicherlich viel Nerven und Kraft gekostet. Wir hatten ziemlich genaue Vorstellungen, wo wie was klingen soll. Wir haben also ordentlich Mails hin und her geschickt. Aber für das Ergebnis hat es sicher gelohnt. Das für uns Spektakulärste am Album war neben der Musik, als Drew von dredg uns das Artwork zugesagt hat und dann auch tatsächlich die Sachen aus Kalifornien kamen. dredg sind eine Band, auf die wir uns alle schon immer einigen konnten und eine meiner „life time favourites“. Die Geschichte dahinter: auf der letzten dredg-Tour 2014 sind wir auf dem Heimweg in Drew und Mark [Engels, Gitarrist bei dredg] reingestolpert, die uns dann spontan auf ein paar Bier eingeladen hatten. Seitdem sind wir in Kontakt. Und weil Drew unsere Musik gefiel, lag es nah ihn zu fragen, ob er unser Artwork machen will. Das hat ja glücklicherweise geklappt.

eclipsed: Eure Songs/Lyrics sollen von Mark Z. Danielewskis Roman „House Of Leaves“ inspiriert sein. Was fasziniert euch an diesem Roman? Um welche Themen drehen sich eure Songs?

Dorn: Also primär ist der Titelsong von dem Buch inspiriert. In dem Buch dreht sich alles um eine mysteriöse Kellertür in einem Haus, unter dem eine riesige dunkle, sich scheinbar verändernde Höhle liegt. Für mich eine Metapher auf menschliche Urängste vor Leere, Dunkelheit, Einsamkeit. Ein Labyrinth, in dem man sich verirren kann, wenn man nicht aufpasst. Ansonsten handeln die Songs von der Selbstversklavung und -entmündigung im digitalen Zeitalter („Prism Is A Dancer“), verborgenen, nicht  erzählten Familiengeschichten („Questions Never Asked“), von Stadtheimweh („Leaving The City“), dem Drahtseilakt einer Liebesbeziehung („Act Of Balance“), der Tiefsee als Spiegel des Unterbewussten („Midwater“) und von quälenden Nächten mit Schlaflosigkeit („Science Of Sleep“).

eclipsed: Wenn man seine EP „Mount Neverest“ betitelt, spricht das für einen gewissen abseitigen Humor. Steckt auch Humor in euren Songs?

Zeuner: Nicht im Sinne von Slapstick oder Klamauk. Eher „Witz“ im Sinne von „gewitzt“.

Dorn: Ich denke auch, wir kommunizieren im Proberaum mit einer großen Ladung Ironie und Humor. Da unsere Musik für sich selbst gesehen relativ ernst ist, gehört das für mich zusammen und dient als Gegenpol zu dieser Ernsthaftigkeit. Das findet sich sicherlich an mancher Stelle in den Texten und den Titeln wieder, ist aber nicht bewusst eingesetzt.

eclipsed: Am 15. November wurde das Album veröffentlicht. Wart ihr aufgeregt?

Dorn: Ja, wir sind sehr euphorisch. Wie oben schon angeschnitten, war der Weg hierher von allerlei Zwischenstationen und Schicksalsschlägen gepflastert. Umso mehr sind wir überrascht davon, dass das Ding jetzt endlich rauskommen ist.

*** Interview: Bernd Sievers