Ein neues Boxset beleuchtet das frühe Solowerk von Krautrocker MICHAEL ROTHER

19. März 2019

Michael Rother Neu Harmonia

Ein neues Boxset beleuchtet das frühe Solowerk von Krautrocker MICHAEL ROTHER

Der Gitarrist und Keyboarder Michael Rother hat mit Bands wie Neu! und Harmonia Musikgeschichte geschrieben. Doch erst mit seinen Soloalben sollte sich ab 1976 Erfolg auf breiter Ebene einstellen. In der Fünf-CD-Box „Solo“ fasst Grönland Records nun die ersten vier Alben Rothers zusammen und ergänzt sie um zwei Soundtracks; die Vinylversion enthält noch eine zusätzliche LP mit Remixes und Liveaufnahmen. Im Gespräch mit eclipsed lässt Rother die Arbeit an der Box Revue passieren.

eclipsed: Die vier Soloalben ohne die Soundtracks ergeben eine sehr homogene Zusammenstellung.

Michael Rother: Bei den Soundtracks ging es darum, eine Brücke in die jüngere Vergangenheit zu schlagen. Anfangs gab es verschiedene Überlegungen, zum Beispiel eine kuratierte Auswahl einzelner Stücke. Das habe ich verworfen. Irgendwie war es dann folgerichtig, chronologisch vorzugehen. Die ersten vier Platten gehören insofern zusammen, als sie mit Jaki Liebezeit entstanden sind, die ersten drei darüber hinaus gemeinsam mit Conny Plank. Ich bin sehr glücklich mit der Box, es war ein langer Weg.

eclipsed: Wie war es für dich, mit einer früheren Version von dir selbst konfrontiert zu werden?

Rother: So weit weg von meinem heutigen Ich sind die Sachen gar nicht. Ich habe nie mit der Kontinuität gebrochen. Natürlich war ich immer darum bemüht, mich weiterzuentwickeln und spiralförmig um eine imaginäre Mitte nach oben zu bewegen. Meine Solosachen waren in Deutschland viel bekannter als Neu!. Im Ausland stellte sich das anders dar. Warum das so war, weiß ich nicht. Mein Verhältnis zu Neu! und Harmonia war nicht anders als das zu meinen Soloalben. Der einzige Unterschied bestand darin, dass ich in Ermangelung einer Band bis auf das Schlagzeug alle Instrumente selbst spielte. In ideeller Hinsicht gab es aber keinen Gegensatz.

eclipsed: Sind die Neu!-Alben nicht sehr konstruktivistisch, während deine Soloarbeiten immer wieder zwischen einer strukturellen und einer romantischen Seite verhandeln?

Rother: Ich habe mich nie als Romantiker gesehen. Sicher ist eine Seite von mir der Natur sehr zugewandt und das Gegenteil von mathematischer Präzision. Und vielleicht suche ich tatsächlich jedes Mal nach einer Balance zwischen Logik und Gefühl. Die drei Alben von Neu! waren für mich die ersten Schritte. Als ich 1971 mit Klaus Dinger und Conny Plank ins Studio ging, hatte ich keinerlei Erfahrung mit dem Entstehen von Musik. Ich hatte gerade meine Vergangenheit abgestreift, die geprägt war von der Verehrung britischer Rockmusik bis hin zu Jimi Hendrix. Indem ich mich davon zu lösen begann, entwickelte ich vorsichtig eigene Strukturen. Das Ergebnis war Neu!. Nach der Zusammenarbeit mit [Dieter] Moebius und [Hans-Joachim] Roedelius hatte ich dann viel klarere Vorstellungen von meiner Musik. Es ging darum, aus dem Bombast der Rockklischees auszubrechen und ihn ersatzlos zu streichen. In den ersten Jahren war es ein langsames Herantasten an dieses neue Terrain. „Flammende Herzen“ kam fünf Jahre später. In meiner Musik gab es immer eine Komponente des intellektuellen Bauens, der Struktur und Ordnung, aber eben auch der Emotionalität. Beide zusammen geben ein Bild meiner Persönlichkeit wieder.

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