JACK ELLISTER - Länger ist nicht immer besser

21. Januar 2019

Jack Ellister

JACK ELLISTER - Länger ist nicht immer besser

Neben seinen zwei Psychedelic-Rock-Alben „Tune Up“ (2015) und „Roots Conference“ (2017) hat der Londoner Jack Ellister eine Reihe an Singles und EPs veröffentlicht. Nun erscheint mit „Telegraph Hill“ eine 9-Track-28-Minuten-EP, die er fast im Alleingang aufgenommen hat und mit der er einen Weg einschlägt: Spartanische LoFi-Songs sind nun angesagt. eclipsed hat ihn nach den Hintergründen befragt.

eclipsed: „Telegraph Hill“ war ursprünglich als Überbrückungs-EP zwischen zwei Alben gedacht. Wann und wie hast du bemerkt, dass mehr darin steckt?

Jack Ellister: Als das Shindig!-Magazin und TimeMazine mein Debütalbum groß featureten, war klar, dass wir da was richtig gemacht hatten. Zu den Aufnahmen damals hatte ich eine Band zur Verfügung mit super Leuten (u.a. Nico Stallmann von Jin Jim /ACT Music). Das Studio war klasse und zusammen mit den Songs war das die perfekte Mischung. Nach meinem Umzug von Holland nach London musste erst mal wieder eine Basis entstehen. Das passiert jetzt gerade. Ich will natürlich nicht nur rumsitzen und nichts tun. Daher der ursprüngliche Plan mit den beiden EPs. Aber beide wurden dann doch länger als gedacht, wuchsen sozusagen zu Alben, wenn auch kurze Alben, da ich ja dann doch letztendlich einiges Material wegselektiert habe.

eclipsed: Du sprichst es an: „Telegraph Hill“ ist gerade mal 28 Minuten lang. Ist es für dich ein vollwertiges Album?

Ellister: Es gibt ja sehr viele Alben, die nur eine halbe Stunde lang sind. Technisch ist es schon möglich, 60 Minuten oder vielleicht mehr auf eine Vinylscheibe zu pressen, aber „länger“ ist nicht immer „besser“. Und für den Klang auf Vinyl gilt „kürzer gleich besser“. Ich habe etwa sechs Songs mehr aufgenommen, aber dann doch weggelassen. Ich finde das so stärker. Eine bestimmte Länge braucht ja auch nicht der Standard fürs Hören zu sein, oder für die Definition eines Albums.

eclipsed: Warum hast du dieses Mal im minimalen Lo-Fi-Stil aufgenommen. Das unterscheidet sich klar von deinen vorherigen Alben.

Ellister: Ich probiere Sachen aus, entwickle mich ja auch weiter, und ich mag Diversität.  Aufgenommen ist es bei mir daheim (bis auf das Schlagzeug) mit analogem Equipment aus den 80ern. Tascam M520, Otari MX5050iii 8Track, und paar gute Pre-Amps, Kompressoren und Mikrofone. Das kann man hören und das finde ich auch gut so. Es macht mir mehr Spaß so aufzunehmen als mit Computer, und ich mag den Klang sehr. Natürlich ist es nicht so sauber wie manche teure Produktion, aber das wollte ich auch gar nicht. Die Rauheit bringt auch eine Ehrlichkeit im Klang mit sich. Die meisten Takes sind First-Takes und für so eine Aktion ist es auch praktischer, einfache Arrangements zu haben.

eclipsed: Außer den Drums hast du alle anderen Instrumente selbst gespielt: Gitarre, Keyboards, Flöte, Percussion, Violine, Didgeridoo. Ist das die Arbeitsweise, wie du sie magst?

Ellister: Das hat praktische Gründe. Relativ minimalistische Arrangements benötigen eben keine ganze Band. Das kann man auch daheim in aller Ruhe vorbereiten und aufnehmen, wenn man die Zeit dazu hat. Für das nächste Album möchte ich eigentlich gerne wieder mit einer Band ins Studio gehen. Im Moment bin ich am Jammen mit Leuten vom Total Refreshment Center, Vanishing Twin und Snapped Ankles. Mal schauen, was daraus entsteht.

eclipsed: Die beiden Songs „Mind Maneuvers“ und „Condor“ unterscheiden sich allerdings deutlich von den anderen. Der eine ist opulenter, schwelgerischer arrangiert, der andere ein hypnotischer Ethno-Trip.

Ellister: Eigentlich sind es drei Songs. „High Above Our Heads” würde ich auch dazurechnen. Diese drei sind eben nicht so minimalistisch, haben viel mehr Instrumente. Dann hört man eine ganze Band. Kontraste kann man ja benutzen in der Musik, sollte man sogar, sonst wird es zu eintönig. Stücke, die anders klingen, sind auch meistens diejenigen, die auffallen. Paradiesvögel sozusagen.

eclipsed: Deine Musik ist inspiriert vom Psychedelic der 60er Jahre. Was macht diesen Stil so attraktiv für dich?

Ellister: Die späten 60er, frühen 70er Jahre sprechen mich an, weil da so viel passiert ist. Die Freiheit im Umgang mit dem Medium Musik macht diese Epoche so attraktiv. Stilverschmelzungen und vor allem der Einfluss von Folklore auf Pop und Rockmusik bringen tolle Sachen zusammen. Der Gedanke einer „kosmischen“ Musik ist großartig. Natürlich ist es interessant, auch die Ursprünge zu hören, z.B. Pygmäengesänge, aber wenn das auf Rhythm & Blues oder Funk trifft, kommen echt interessante Sachen raus. Die anglophile Haltung innerhalb der Musikbranche ist meines Erachtens völlig überholt. Weltweit wird tolle Musik gemacht. Klar, war in England und USA technisches Knowhow vorhanden, aber diese Dominanz wurde staatlich finanziert. Deren Musikexport dient ja nicht nur der Geldmacherei, sondern auch als kultureller Aspekt ihres imperialen Bestrebens. Schön gleichgeschaltet mit dem offiziell höchsten Ziel des amerikanischen Amtes für auswärtige Angelegenheiten: der Amerikanisierung der Welt. Und wenn dadurch andere, möglicherweise viel interessantere Kulturgüter anderer Nationen keine Beachtung erhalten, finde ich das sehr schade und kontraproduktiv für die Kultur weltweit.

eclipsed: Du veröffentlichst vorwiegend auf Vinyl. Bist du ein Vinyl-Freak?

Ellister: Ich mag Vinyl. Es ist mein bevorzugtes Format als Käufer und als Produzent, weil man das anfassen kann, weil es ein haltbares Medium ist (solange es nicht zu viel in der Sonne rumliegt) und weil es theoretisch ohne Strom möglich wäre, die Musik zu hören. CD ohne Strom geht nicht, genauso ist Kassettenband schwierig. Aber Vinyl ginge eventuell, wenn auch nicht sehr HiFi.

eclipsed: Außerdem veröffentlichst du viele Single. Aus Nostalgiegründen?

Ellister: Mein Label Fruits De Mer macht vor allem 7”s. Deswegen gibt es die Sachen von mir auf 7”. Auch die Tatsache, dass Fruits De Mer gern Coverversionen machen lassen, hat dazu geführt, dass ich so viele Covers aufgenommen hab. Sonst hätte ich das sicher nicht gemacht. Warum denn auch? Ich habe ja eigene Sachen, die ich rausbringen will. Aber ich habe gemerkt, es macht Spaß und man lernt viel dabei. Die Originalversionen hört man sich ganz anders an. Da fallen einem so viele Dinge auf. Etwa die Backing-Vocals am Schluss von „Dear Prudence“: wieviel Emotionen das plötzlich reinbringt. Da merkt man, wie essentiell eigentlich die Mehrstimmigkeit des Gesangs für die musikalische Wirkung der Beatles-Stücke war, und nicht nur als unterhaltsamer Füllfaktor. Sowas fasziniert mich.

*** Interview: Bernd Sievers