JOHNNY BOB - Zeit der Besinnung

26. September 2022

Johnny Bob

JOHNNY BOB - Zeit der Besinnung

Die norddeutsche Band Johnny Bob legt ihr viertes Album auf und erfüllt sich damit den Traum vom eigenen Doppel-Vinylalbum: „Creatures Of Light And Darkness“. Das Album ist ein Paradebeispiel dafür, wie frisch und knackig der 70er Progrock auch im Jahr 2022 klingen kann.

2017 haben sich Johnny Bob gegründet und schon im selben Jahre wurde das Debüt „Carnival Of The Brahma-Box“ veröffentlicht. Auf ihm findet sich 70er Jahre Progressive Rock, der sich aber nicht in überlange, komplexe Virtuositäten verstrickt, sondern auch auf modernere Sounds und kompaktere Strukturen setzt. Im gleichen Stil folgten 2019 „Fjodor And The Watergiant“ und 2020 „Egbert’s Barber Shop“. 2022 bestehen Johnny Bob nach einigen Besetzungswechseln aus den beiden Brüder Jörg Purfürst (Bass, Keyboards, Gesang) und Carsten Díaz (Vocals) sowie Drummer Philip Mestwerdt. Mit Jürgen Ufer (Gitarre) und Ole Schützler (Keyboards) sind Gastmusiker dabei, die mehr oder weniger zum festen Inventar der Band gehören und einen nicht zu unterschätzenden Anteil am neuen Album „Creatures Of Light And Darkness“ haben. eclipsed sprach mit Purfürst und Díaz über die Geheimnisse der Kreaturen von Licht und Dunkelheit.

eclipsed: Im Internet – auch auf eurer Website - gab es früher verschiedene Johnny-Bob-Bandhistorien zu lesen, die ins Reich der Märchen und Mythen gehörten. Auch habt ihr auf euren ersten beiden Alben Fantasienamen für die Musiker gewählt. Nun beginnt „Erlkönig“, der Opener auf eurem neuen Album, mit den Zeilen „I found out a secret, I opened a door, now I see you as you truly are“. Ist nun Schluss mit den Märchen und Mythen? Seid ihr nun ihr selbst?

Carsten Díaz: Wir wissen selbst gar nicht, woher all diese verschiedenen Sagen und Legenden stammen. Aber wir haben uns köstlich darüber amüsiert. Diese Zeilen in „Erlkönig“ beginnen das neue Album nicht nur, sie beenden es auch wieder im letzten Track „Nocturne“. Sie haben eine andere Bedeutung: Es geht auf „Creatures Of Light And Darkness“ um Licht und Schatten. Dieses Album war unser schwierigstes. Es erforderte von uns allen eine hohe Einsatzbereitschaft. Nicht nur wegen des Lockdowns. Es war eine Zeit der Besinnung um die zentrale Frage, wer man wirklich ist. Und es hat eine Botschaft: Wer das Licht sucht, muss auch den Schatten annehmen. Daher war uns von Anfang an klar, dass der Titel des Albums nur „Creatures Of Light And Darkness“ lauten könnte.

eclipsed: Auch auf euren ersten Alben habt ihr den Progrock der 70er Jahre mit modernen Elementen und normalen Songformaten kombiniert. Jetzt habt ihr den Fokus noch mehr auf das Songwriting und kompaktere Songs verlegt.

Jörg Purfürst: Wir hören sehr viel unterschiedliche Musik, können unsere Prioritäten auch entsprechend breit streuen und sind generell für vieles offen. Seien es nun Indierock oder elektronische Elemente. Und dazu kommt natürlich das Progressive.

Díaz: Nichts ist geplant. Manchmal haben wir nur Fragmente, an denen wir weiterarbeiten, manchmal sind die Stücke durchkomponiert. Wir haben keine Gedanken wie „Ist das jetzt Prog? Oder Indierock?“ Wir lassen es einfach laufen.

eclipsed: Jörg und Carsten, ihr beide seid die Songschreiber von Johnny Bob. Wie läuft das ab? Schreibt ihr gemeinsam oder getrennt?

Purfürst: Das ist ganz unterschiedlich. Carsten ist eher der Songschreibertyp und ich bin der Producer und Soundtüftler. Es stimmt schon, dass die Alben von uns beiden dominiert werden. Aber auch die anderen haben ihre Anteile.

Díaz: Wir schreiben schon an unserem nächsten Album. Es wird ein richtiges Konzept haben und es wird ein Bandalbum werden, an dem alle Bandmitglieder beteiligt sind. Ich kann auch schon den Namen verraten. Es wird „The Glass House Tapes“ heißen. Wir hatten schon ziemlich viel Material zusammen, haben dann aber noch mal neu angefangen. Jetzt konzentrieren wir uns erst mal auf die Vorbereitung für unsere Live-Auftritte.

eclipsed: Im letzten Song „Nocturne“ sind euch besonders schöne Melodien gelungen.

Purfürst: Vielen Dank. Als wir „Nocturne“ aufgenommen haben, hatten wir gerade unseren Gastkeyboarder Ole Schützler aufgegabelt. Er hat sich das Klavier-Intro ausgedacht. Genauso wie das Intro zu „September“.

Díaz: Mir selbst waren diese Melodien in „Nocturne“ gar nicht so bewusst. Aber dieser Song ist schon einer unserer Favoriten. Die Grundidee dazu stammt von Jörg. Das ist einfach so: Ein Song springt einen an – oder nicht. Wenn nicht, dann musst du noch dran arbeiten. Aber „Nocturne“ hat mich einfach angesprungen. Darauf zu singen, war ein Träumchen. Alles war im Fluss.

eclipsed: Doch noch mal zu euren Namen: Ihr beide seid Brüder. Das ist aber nicht an euren Namen zu erkennen. Woher kommt’s?

Díaz: Ganz einfach: Ich habe vor acht Jahren eine Spanierin geheiratet und ihren Nachnamen angenommen.

eclipsed: Gibt es musikalische Vorbilder, denen ihr zwar nicht nacheifert, die euch aber doch eine gewisse Orientierung geben?

Díaz: Wir haben früher oft mit solchen Namen um uns geschmissen. Und natürlich wirst du dann mit den genannten Bands verglichen. Solche Vergleiche hinken aber, denn die eigenen Wahrnehmungen der verschiedenen Leute sind doch oft ganz anders.

eclipsed: Ihr scheint eine Menge Humor zu besitzen. Wie spiegelt sich das in eurer Musik wider?

Díaz: Wir sind humorvoll. Aber in unserer Musik findest du den Humor eigentlich nicht. Aber dieser Humor kommt raus, wenn wir live spielen. Aber auch dann spielen wir ja kein Kasperle-Theater. Wir nehmen dabei unsere Musik bierernst. Aber in den Ansagen zwischen den Liedern erzählen wir schon mal Stories. Da sind wir ganz schön skurril unterwegs. Für mich war es immer ein Genuss, Peter Gabriel zuzuhören. Er hat schrullige Geschichten erzählt.

eclipsed: Wie auch schon die Vorgängeralben habt ihr das neue Album im sogenannten Ulumulu-Studio in Hamburg aufgenommen. Ein seltsamer Name.

Díaz: Der Name stammt von mir. Ich war vor einiger Zeit Fan des Videogames „Gothic“. Da tauchte ein „Ulu-Mulu“ auf. Das war eine Trophäe, die der Held von einem Ork-Schamanen bekommen hat. Ich fand den Namen hübsch.

eclipsed: Im Gegensatz zu den Vorgängeralben erscheint „Creatures Of Light And Darkness“ nicht auf CD, sondern auf Doppel-Vinyl. Wieso das?

Purfürst: Die CD ist einfach kein geeignetes Medium für uns. Der eclipsed-Chefredakteur Marcus Wicker hat uns damals, als wir das zweite Album fertig hatten, auf die Idee gebracht, eine CD zu veröffentlichen. Unser erstes Album gab es bis dahin nur als Stream. Also wurden beide Alben als Doppel-CD veröffentlicht. Das Streaming wollen wir nicht unterstützen. Wir möchten uns mit dem ganzen Album beschäftigen und dass unser Album als Ganzes betrachtet wird. Nicht nur einzelne Songs daraus. Vinyl war schon immer ein Traum von uns. Und nun die eigene Doppel-LP in den Händen zu halten, ist wunderbar.

Díaz: Wir folgen keinem Trend. Dass Vinyl momentan so angesagt ist, ist natürlich gut. Aber es ist auch eine Geldfrage. Vinyl ist teuer. Die CD hat einfach zu wenig Haptik. Auf das Streaming wollen wir verzichten. Streaming ist der Tod des Albums. Wir haben uns Ewigkeiten mit der richtigen Reihenfolge der Songs beschäftigt, so dass die beste Wirkung erzielt wird. Und beim Streaming werden dann nur einzelne Songs rausgepickt. Da ist die Wirkung dahin. Wir haben das Album auch mit Crowdfunding finanziert. Und auch die Stadt Hamburg hat uns gefördert, der unser künstlerisches Konzept gefallen hat.

***Interview: Bernd Sievers