Obwohl die Gruppe um den Moog-Zauberer Manfred Mann nicht wie Pink Floyd oder Genesis dauerhaft auf der ganz großen internationalen Erfolgswelle segeln konnte, hat sie mit ihrem perfekten Spagat zwischen sphärischem Progressive Rock und Gute-Laune-Classic-Rock doch insbesondere in Deutschland über fünf Jahrzehnte hinweg ein treues Publikum gefunden. Angesichts des runden Jubiläums werfen wir gemeinsam mit Bandleader Mann, Langzeitgitarrist Mick Rogers und dem früheren gesanglichen Aushängeschild Chris Thompson einen Blick zurück auf die bewegte Geschichte der Earth Band. Auch mit dem aktuellen Sänger Robert Hart haben wir gesprochen. Darüber hinaus rücken wir ihre wichtigsten Alben und Videodokumente ins rechte Licht.
„Manfred begann sich damals für Synthesizer zu interessieren“, erinnert sich Mick Rogers an die Anfangszeit der Earth Band, „und ich spielte ihm ELP-Tracks vor. Wir kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.“ Daraufhin kaufte Manfred Mann das nach seinen Worten „verdammt teure Ding“, den damals brandneuen, revolutionären Minimoog. Auf das große modulare Moog-System verzichtete er angesichts dessen mangelnder Bühnenkompatibilität. Manns rückblickender Kommentar: „Damals wusste ich noch nicht, dass er zu meinem Instrument werden sollte.“
Mit Alben wie „Solar Fire“ (1973), „The Roaring Silence“ (1976), „Watch“ (1978) und „Angel Station“ (1979) schrieb Manfred Mann’s Earth Band Prog- und Popgeschichte. Ihr Stil: mit einem Bein in sphärischen Prog-Höhen, mit dem anderen in geerdeten Rock- und Bluesriffs. Songs wie „Father Of Day, Father Of Night“, „Spirits In The Night“, „Blinded By The Light“, „Davy’s On The Road Again“, „Mighty Quinn“ und „For You“ gelangten dank ihrer Popqualitäten in die Charts und wurden zu unvergesslichen Hits. Die besonderen Merkmale der Gruppe waren Manns außergewöhnliche Moog-Improvisationen, seine virtuosen, regelrecht jazzigen Duelle mit Gitarrist Mick Rogers, die äußerst gelungene Bearbeitung von nicht selbst geschriebenen Songs und (ab 1976) die charismatische Stimme von Rockröhre Chris Thompson.
1982 wurde die Band um den 1940 im südafrikanischen Johannesburg geborenen Manfred Lubowitz mit dem Album „Somewhere In Africa“ gar zum Vorläufer bei der Integration traditioneller afrikanischer Klänge in westliche Popmusik. Danach veränderte sie allerdings zunehmend ihren Stil, näherte sich dem Zeitgeist an, verlor ihre eigene Note und löste sich kurzzeitig auf. Seit Anfang der 90er ist MMEB als Liveband gerade in Deutschland aber wieder erfolgreich unterwegs. Ein neues echtes Bandalbum lässt dagegen bereits seit 1996 auf sich warten. (Am 2004 veröffentlichten „2006“ wirkte die Earth Band zwar mit, de facto handelte es sich aber um ein Solowerk Manns.)
Die Anfänge: Vom Chapter-Three-Jazz zum Earth-Band-Rock
Die Reise der Earth Band beginnt im Sommer des Jahres 1971. Zu diesem Zeitpunkt hatte Manfred Mann bereits eine veritable Musikerkarriere hinter sich: Nach ersten Erfolgen mit der R&B- und Popband Manfred Mann (u. a. „Do Wah Diddy Diddy“, „Pretty Flamingo“, „Mighty Quinn“) hatte er sich mit Manfred Mann Chapter Three an ambitioniertem Jazzrock versucht. Doch die Resonanz darauf entsprach nicht seinen Erwartungen: „Das hat kommerziell nicht funktioniert. Wir hatten viele Regeln wie den Verzicht auf eine Gitarre und mussten alles selbst schreiben. Federführend war dabei Mike Hugg [Pianist, Sänger, Arrangeur und Co-Produzent, Anm.]. In der Earth Band war dagegen alles offen, alles möglich, inklusive des Stils. Wir machten uns keine Vorgaben.“ Auf zwei der Musiker, mit denen Mann die neue Band gründete, war er durch sein vorheriges Projekt gestoßen: Sänger und Gitarrist Mick Rogers kannte Mike Hugg, da der seine Band Procession produzierte, Drummer Chris Slade hatte an einer Chapter-Three-Session teilgenommen. Dazu kam als vierter im Bunde Bassist Colin Pattenden. Es soll Chris Slade gewesen sein, der unter Bezug auf die damals entstehende ökologische Bewegung den Namen Earth Band vorschlug. In seiner Autobiografie schreibt Ex-Manfred-Mann-Bassist Klaus Voormann allerdings, er habe Mann zu dem Bandnamen inspiriert, da er ihm seinerzeit öfter geraten habe, statt der Popsongs „erdigere“ Rockmusik zu machen.
Manfred Mann – Meister der Moog-Modulationen
Das erste Album „Manfred Mann’s Earth Band“ (1972), ein Mix aus Eigen- (wie dem hochatmosphärischen Instrumental „Tribute“) und Fremdkompositionen (darunter das erste Bob-Dylan-Cover „Please Mrs. Henry“ und der spätere Liveklassiker „Captain Bobby Stout“) war noch stark von Bluesrock sowie Jazzrockanleihen geprägt. Von Anfang an präsent war aber Manns innovatives Spiel auf dem Moog, das weit über ein bloßes Gimmick hinausging. Es ist tatsächlich immer unverkennbar, in seiner Art ganz anders als das anderer großer Synthesizerspieler wie Keith Emerson, Rick Wakeman oder Tony Banks. Mann erklärt dazu: „Das hat gedauert. Der Moog war ja nicht anschlagsdynamisch. Um also mit jedem Ton einen anderen Sound zu produzieren, musste man kreativ sein. Der Moog selbst macht nur eines: Er klingt wie ein Miezekätzchen. (lacht) Ich setzte also die Filter schlicht wie ein Wah-Wah-Pedal ein – vielleicht etwas mehr als andere.“ Manns Bescheidenheit in Ehren – mit seinen jazzigen und sphärischen Modulationen erschuf er einen großen Teil der weltbesten „Miaus“ auf dem Moog. Als wichtigen Einfluss bezeichnet er den Jazzrockvisionär Miles Davis mit seiner Art, Tonleitern auch abwärts statt aufwärts zu spielen und damit eine ganz eigene Spannung zu erzeugen ...