Sechs Jahre hat Nick Cave keine Interviews gegeben. Jetzt redet er wieder – weil er etwas zu sagen hat und weil sein 18. Studioalbum „Wild God“ einen wichtigen Wendepunkt in seiner Karriere darstellt: Die Zeit der Trauer und Selbsttherapie ist vorbei, von nun an genießt er das Leben wieder, wie chaotisch und verrückt die Welt auch sein mag.
Das Ambiente passt zum Künstler: Nick Cave empfängt in einem Londoner Luxushotel im viktorianischen Stil, wo er mit schwarzem Zweireiher, schulterlangem Haar und frisch polierten Lackschuhen glatt den Empfangschef abgeben könnte. Doch er ist hier, um zu reden – ausführlich und über (fast) alles. Dafür nimmt er sich geschlagene 80 Minuten Zeit, von denen wir hier leider nur einen Bruchteil wiedergeben können. Das Wichtigste zuerst:
eclipsed: Warum das lange Schweigen?
Nick Cave: Ich hatte den Punkt erreicht, an dem ich schlichtweg kein Interesse mehr an Musikinterviews hatte. Ich halte das Format ohnehin nicht für sonderlich spannend, weil man daraus nichts lernen kann, und es ist eine Belastung für Journalist wie Musiker. Es entmystifiziert den Prozess des Plattenmachens und lässt einen seine Arbeit hassen. Daher habe ich meinen Manager gefragt: „Was bringen mir diese Gespräche? Verkaufe ich dadurch mehr Platten?“ Und er: „Nicht wirklich. Sie bewirken nur, dass dein Name in den Medien auftaucht.“ Da war meine Reaktion: „Dann will ich keine Interviews mehr geben.“
eclipsed: Was hat dich deine Entscheidung überdenken lassen?
Cave: Ich hatte sechs Jahre Pause, dann habe ich ein Buch mit dem Journalisten Sean O’Hagan gemacht, zu einer Zeit, in der ich über vieles im Leben nachgedacht habe. Wir haben vornehmlich über Themen gesprochen, die nichts mit Musik zu tun hatten. Das habe ich sehr genossen. Und mittlerweile ist es generell so, dass es, wenn ich ein Interview gebe, darin eh kaum noch um Musik geht. Dadurch sind die Fragen viel interessanter. Zumal es ohnehin schwierig ist, fast eine Stunde über ein Album zu reden.
eclipsed: Probieren wir es: „Wild God“ klingt wie eine Fortsetzung von „Ghosteen“ aus dem Jahr 2019. War das der Plan?
Cave: Wenn man sich unsere bisherigen Alben vor Augen führt, ist es im Grunde unmöglich, die Bad Seeds auf irgendetwas festzunageln. Und auf eine gewisse Weise sind wir stolz darauf, dass jedes unserer Alben anders klingt. Das sorgt dafür, dass die Fans das Gefühl haben, wir würden sie zu einer Art Abenteuer mitnehmen – deshalb herrschen da hohe Erwartungen. Andere stört das hingegen eher. Ihnen wäre es lieber, wenn die Musik sie selbst reflektieren würde. Und es ist ja viel bequemer, nicht immer alles radikal zu überdenken. Nur ist das unser Ding – und ich bin froh, dass du „Wild God“ für eine Fortsetzung von „Ghosteen“ hältst, denn es fühlt sich an, als würde es dort anknüpfen.