Kaum zu glauben: Porcupine Trees achtes Album „In Absentia“ ist nun auch schon 20 Jahre alt. Mit diesem Werk stießen die Briten in eine neue künstlerische Sphäre vor. Die Integration von härteren Sounds erwies sich nicht nur als Geniestreich, sondern beeinflusste das gesamte Genre des New Artrock und fand zahllose Nachahmer. „In Absentia“ gilt heute als Meilenstein, nicht nur für die Band. Und dabei ging der Start für dieses Album gründlich in die Hose. Die Band überstand die selbst verschuldete kritische Situation. Zum Glück.
Am Anfang war der Frust. Das lag an der geringen Resonanz auf die beiden vorangegangenen Alben „Stupid Dream“ und „Lightbulb Sun“. Steven Wilson: „Da hatten wir zwei Alben mit meiner Meinung nach sehr zugänglicher Musik gemacht, und doch scherte sich niemand darum. Das war schon frustrierend.“ Die Möglichkeit, mehr zu sein als die nur von wenigen Fans innig geliebte Underground-Band, ergab sich dann unverhofft. In New York hatten Porcupine Tree eine treue Fangemeinde, und ihr Konzert am 27. Juni 2001 im Club The Bottom Line war restlos ausverkauft. Auch US-Musikmanager Andy Leff war zugegen, registrierte die Euphorie, war selbst von der Musik begeistert und schlug der Band vor, ihr Manager zu werden. Colin Edwin dazu süffisant: „Er war sehr gut darin, uns zu sagen, was wir hören wollten.“ Wilsons anfängliche Skepsis schlug um in größere Erwartungen: „Erst dachten wir: ‚Ja, ja, lass den mal reden.‘ Aber je mehr er sprach, umso ernster nahmen wir ihn.“
Ein Swimmingpool in Beverly Hills
Am Ende siegte die Hoffnung auf eine große Chance über die Angst, ein Major Label werde einer Band wie Porcupine Tree nicht die nötige Unterstützung zukommen lassen. Die Aussicht „auf einen Swimmingpool in Gitarrenform in Beverly Hills“ (O-Ton Wilson) war zu verlockend. Andy Leff hielt Wort und verhalf der Band zu einem Vertrag bei Lava/Atlantic. Nicht wenige Fans befürchteten, die Band würde ihre musikalischen Ideale verleugnen, um erfolgreich zu sein. Doch Wilsons künstlerische Integrität ließ so etwas nicht zu.
Und dann versemmelte es die Band fast selbst. Der Vertrag war unterschrieben, das teure Avatar Studio in New York gebucht. Wilson stellte Colin Edwin, Richard Barbieri und Chris Maitland die neu geschriebenen Songs vor. Die waren härter als je zuvor. Diese Entwicklung war zwar nicht zu erwarten, sie kam aber auch nicht von ungefähr. Als Jugendlicher war Wilson Fan der New Wave Of British Heavy Metal gewesen, und er kam bei seiner Produktion des Opeth-Albums „Blackwater Park“ erneut mit dem Metal in Kontakt. Wilson: „Ich dachte, ein bisschen Metal würde die Band vital und exzentrisch erscheinen lassen. Colin ist ohnehin mit Metal groß geworden. Richard war zunächst skeptisch, weil er nicht wusste, wie er seine Keyboards da unterbringen sollte.“ Das große Problem trat dann allerdings an anderer Stelle auf. „Chris war nicht glücklich mit den neuen Songs. Bei den Proben war er nicht mit vollem Einsatz dabei. Ich wurde immer frustrierter. Am Ende haben wir ihn gebeten, die Band zu verlassen. Das war völlig verrückt. Wir hatten einen Major-Deal, und drei Wochen vor den Aufnahmen feuere ich den Drummer.“