Der Mars fasziniert die Menschen seit jeher – ob es nun um die Frage nach Leben auf dem vierten Planeten unseres Sonnensystems oder dessen mögliche Besiedlung geht. Expeditionen zum Roten Planeten scheinen näher zu rücken, und auch Rick Wakeman hat das Mars-Fieber gepackt. So sehr, dass der Keyboarder nach mehreren Alben, auf denen das Klavier im Mittelpunkt stand, nicht nur zu seinen Prog-Wurzeln zurückgefunden, sondern auch sein wohl bestes Solowerk seit vielen Jahren eingespielt hat. Was ihn dazu bewogen hat, erzählt er im Interview.
Tastenzauberer Rick Wakeman wurde als wohl wichtigster Keyboarder von Yes berühmt, setzte aber auch solo wichtige Marksteine in der progressiven Rockmusik. Mit seinem exzessiven „The Six Wives Of Henry VIII“ veröffentlichte er 1973 noch vor Mike Oldfields „Tubular Bells“ eines der schillerndsten Alben des instrumentalen Prog, auf dem er mit aufeinandergetürmten Keyboardsounds regelrechte Klangkathedralen errichtete und so seinen ganz eigenen sinfonischen Stil entwickelte. „The Red Planet“ lädt nun mit acht monumentalen Klanggemälden zu einer musikalischen Reise auf den Mars ein.
eclipsed: Wie kam es zu „The Red Planet“?
Rick Wakeman: So vor gut zehn Jahren hatte ich das Gefühl, dass der Prog dabei war, seine Melodien zu verlieren. In den frühen Tagen begann die Musik von Yes immer mit einer starken Melodie. Statt ihr trat immer mehr der Rhythmus in den Mittelpunkt. Jon Anderson und ich haben viel darüber gesprochen und dann 2010 zusammen „The Living Tree“ aufgenommen, das den Melodien im Prog wieder Bedeutung beigemessen hat. Auch meine Piano-Alben der letzten Jahre hatten deshalb diesen Fokus auf starken Songs. So wurde das auch wieder Teil meiner Art, neue Stücke zu schreiben. Viele haben mich immer wieder gefragt: „Wann wirst du mal wieder ein Instrumentalalbum wie ‚Six Wives‘ oder ‚Criminal Record‘ machen?“ Ich habe darauf stets geantwortet, dass ich ein starkes Konzept brauche, das mich inspiriert.
eclipsed: Und wie flog der Mars dann auf dich zu, Rick?
Wakeman: Ich war 2016 in das Starmus Festival auf Teneriffa involviert, an dem u. a. Stephen Hawking und Queen-Gitarrist Brian May teilnahmen und das von dem Astrophysiker Garik Israelian, einem maßgeblichen Forscher zur Entstehung schwarzer Löcher, initiiert wurde. Brian hatte mich dort eingeführt, weil er wusste, dass ich am Weltraum interessiert bin und Weltraum-Alben wie „Out There“ und „No Earthly Connection“ aufgenommen hatte. 2019 war dann in Zürich ein Starmus Festival zum 50-jährigen Jubiläum der Mondlandung. Viele der alten, noch lebenden NASA-Astronauten waren da. Das war unglaublich. Ich bin mit Brian, Hans Zimmer und Steve Vai aufgetreten. 2021 ist das Jubiläum der allerersten Erkundung des Mars durch eine russische Sonde. [Am 28. Mai 1971 fand die erste erfolgreiche Marslandung statt, Anm.] Garik sagte mir: „Dein Freund David Bowie hatte Recht. Ganz sicher gab es einmal erdähnliches Leben auf dem Mars, eine Welt voller Ozeane, aber mit einer viel dünneren Atmosphäre. Es wird noch viele Expeditionen dorthin geben.“ Ich wurde ganz still und sagte zu ihm: „Du hast mir soeben das Konzept für mein Album gegeben.“ Er schickte mir dann viele Bilder und Insiderinformationen über den Mars, sodass der Mars für mich zu Musik wurde.
eclipsed: Die aktuellen Marsfotos sind ja auch kristallklar.
Wakeman: Genau. Ich schrieb fast ein Jahr lang Musik zu diesen unglaublichen Bildern. So unberührt und menschenleer und doch voller Leben. Daraus entstanden ganz unterschiedliche Stimmungen und Sounds in den Stücken. Das ist tatsächlich so ein Rock-’n’-Roll-Planet! Es sieht teilweise sogar so aus, als wäre dort Wasser, doch das ist Trockeneis [festes Kohlendioxid, Anm.], das auf diese riesigen Gebirge, massiven Schluchten und Vulkane „herabregnet“. Wie viel mehr Rock ’n’ Roll kann man haben? Schon jetzt haben mir Leute geschrieben, wenn sie Bilder von den Orten auf dem Mars im Internet betrachteten, zu denen ich diese Songs geschrieben habe, sei das wie eine Kreuzfahrt – Musik zu einem Abenteuerurlaub auf dem Mars.