Er lächelt. Immer wieder. Er scheint tatsächlich Spaß auf der Bühne zu haben. Von 2010 bis 2013 präsentiert er „The Wall“ der ganzen Welt. Stellt klar, dass er und nur er der Urheber dieses monumentalen Werkes ist. Der neue Film „Roger Waters The Wall“ dokumentiert mit seinen eindrucksvollen Konzertszenen und dem Bonusmaterial noch mehr: Zufriedenheit mit der Arbeit. Freude mit den Menschen um ihn herum. Mit sich selbst im Reinen. Das war in der Karriere des Roger Waters nicht immer so. 1965 gründete Waters mit Nick Mason und Rick Wright die Band Sigma 6. Zu der Zeit spielte er noch Gitarre, wurde aber an den Bass verdrängt. „Ich hatte Angst, am Schlagzeug zu enden“, soll er gesagt haben. So weit kam es nicht.
Mit der Hinzunahme von Syd Barrett, einem Schulfreund Waters’ aus Cambridger Tagen, waren Pink Floyd geboren. Jene Band, mit der Waters’ Bekanntheit immer noch zuallererst verbunden ist. Er war zwei Jahrzehnte lang Mitglied von Pink Floyd. Seit drei Jahrzehnten ist er es nicht mehr. Aber ob er es will oder nicht: Fällt heute sein Name, so fällt auch der von Pink Floyd. Als Barrett 1968 ausschied, war es Waters, der das ins Schlingern geratene Schiff wieder auf Kurs brachte – bringen musste, denn Wright, neben Barrett hauptverantwortlich für das frühe Klangbild der Band, übernahm das Ruder nicht. Ein Verdienst Waters’, das oft übersehen wird. Er nahm die Rolle des Kapitäns an, die seinem Alphatierwesen entgegenkam, führte gemeinsam mit Wright, Mason und dem Barrett-Ersatz David Gilmour die Band zu Weltruhm, gab später allein die Richtung vor, setzte dabei aber die Fähigkeiten seiner Mitstreiter perfekt in Szene, bis er schließlich einem Egomanen gleich nur noch seine Visionen zuließ.
Meilensteine der Rockmusik wie „The Dark Side Of The Moon“, Wish You Were Here“ oder „The Wall“ entstanden so. Aber spätestens mit den Arbeiten an „Wish You Were Here“ 1974 kam es zu unübersehbaren Spannungen in der Band. Was mag Waters gefühlt haben, als seine Kollegen sich den Freuden des finanziellen Erfolgs hingaben, während er, zwar auch steinreich, zunehmend mit Gott, der Welt, der Gesellschaft, der Politik und sich selbst haderte? Waters machte seine Angst, Isolation, Entfremdung und seine Neurosen zum Gegenstand der Musik, besonders in „The Wall“ und „The Final Cut“. Doch es ging nicht gut. Der Bruch war unvermeidlich, eine weitere Zusammenarbeit Waters’ mit seinen Kollegen, besonders mit Gilmour, war unmöglich. Die Trennung erfolgte 1985. Dass Pink Floyd ohne ihn weitermachten, verletzte ihn zutiefst. Ebenso die Tatsache, dass die breite Öffentlichkeit neben der alles überstrahlenden Magie der Marke Pink Floyd seine Leistung übersah.
Wer ist dieser Mann, der ein ebenso großartiger wie unbequemer Interviewpartner sein kann? Der zu seiner Zeit mit Pink Floyd alles gesagt hat – dutzendfach. Der seinen Unmut über derlei Fragen, wenn sie ihm gerade nicht passen, bestenfalls wortkarg, mitunter aber auch unwirsch zum Ausdruck bringt. Oder je nach Stimmung ausufernd antworten kann. Das für 20:10 Uhr für eine Dauer von 30 Minuten anberaumte Telefongespräch begann unter keinem guten Stern: Zweimal rief eine Mitarbeiterin aus New York an: „Hi, hier ist Fran, wollte dir nur schnell sagen, dass sich das Gespräch um zirka eine Stunde verschiebt.“ Um 23:15 Uhr dann endlich: „Hi, hier ist Fran. Habe Roger Waters in der Leitung. Du hast 15 Minuten. Los geht’s.“ Los geht’s mit Roger Waters, der eventuelle Anredeunsicherheiten mit einem „Hi Bernard“ im Keim erstickt.
eclipsed: Du hast mehr als drei Jahre mit „The Wall“ getourt, über 200 Konzerte vor mehr als vier Millionen Zuschauern gegeben. Die erfolgreichste Tour, die je ein Solokünstler auf die Beine gestellt hat. Beeindruckende Zahlen, oder?
Roger Waters: Ich habe darüber nie nachgedacht. Jetzt, da du mich das fragst, wird es mir bewusst. Ich bin natürlich darüber froh, dass so viele Leute zu den Shows gekommen sind. Ich hoffe, sie alle haben etwas Positives daraus ziehen können. So wie ich es auf jeden Fall konnte.
eclipsed: Die Konzerte der letzten Jahre und speziell der neue Film haben eine ganz andere Stimmung als noch die „The Wall“-Tour von 1980 und 1981, die du mit Pink Floyd gespielt hast. Die düsteren Themen sind zwar weiterhin vorhanden, aber da sind auch Hoffnung, Wärme, Herzlichkeit, Menschlichkeit. Wie hast du diese Emotionen integrieren können?
Waters: Es ist nicht die Frage, wie man diese Dinge bewusst in die Show einbauen kann. Es ist einfach die Frage, ob man 30 oder 70 Jahre alt ist. In den vergangenen 35 Jahren habe ich gelernt, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Mit den Jahren bin ich weniger narzisstisch geworden und fühle mich nicht mehr so betroffen von meinen individuellen Problemen, die ich als junger Mann hatte, als ich das Stück schrieb und mit Pink Floyd aufführte. Jetzt beschäftige ich mich mit allgemeineren Themen. Ich versuche, durch Einfühlungsvermögen und Verständnis Verbindungen zwischen allen Brüdern und Schwestern in der ganzen Welt aufzubauen, die getrennt sind durch Mauern aller Art. Mauern, die aufgebaut werden durch unsere Regierungen und nationale Interessen.
eclipsed: 1980 schienst du unnahbar und sehr ernsthaft. Jetzt gibt es auf der Bühne, in den Filmszenen und im Bonusmaterial viele Szenen, in denen du lachst. Liegt das auch an den 35 Jahren, die dazwischen liegen?
Waters: Ja, wahrscheinlich. Auch 1990 bei dem Konzert auf dem Potsdamer Platz in Berlin war die Stimmung schon besser als bei den Shows in Los Angeles, New York, London und Dortmund, die wir 1980 und 1981 gespielt hatten. Die Beziehung zwischen mir und dem Publikum hat sich weiterentwickelt. 2010 bis 2013 fühlte ich eine sehr enge Verbindung mit dem Publikum. Meiner Meinung nach liegt es auch daran, dass das Publikum nun viel besser versteht, um was es in „The Wall“ geht, nämlich um viel globalere Dinge als persönliche Probleme. Um Dinge, die alle etwas angehen. Das war 1979 noch nicht so deutlich.