SPARKS „Wir haben immer noch keine Ahnung, wie wir eine Platte produzieren oder einen Song schreiben sollen“

27. Juli 2020

Sparks

SPARKS „Wir haben immer noch keine Ahnung, wie wir eine Platte produzieren oder einen Song schreiben sollen“

Sie können es nicht lassen! Die beiden Mael-Brüder, besser bekannt als Sparks (in Anspielung auf die Marx Brothers), foppen mit dem Album „A Steady Drip, Drip, Drip“ einmal mehr die Musikwelt. Mittlerweile im achten Lebensjahrzehnt angekommen, gehören sie noch immer zu den schöpferischsten Köpfen der progressiven Popmusik.

Seit nunmehr rund fünf Jahrzehnten halten die Sparks an ihrem Konzept fest: „Geh ans Limit, überrasch dich selbst, bleib deinen Ansprüchen treu und vermeide Wiederholungen.“ Das Projekt der Brüder Ron und Russell Mael hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Dass sie immer noch zu den Aktivposten des kreativen Rock gehören, verdanken sie womöglich gerade der Tatsache, dass sie immer dann abgebogen sind, wenn sie gerade auf der Erfolgsspur waren. Wenn Bands wie Queen, Roxy Music, Talking Heads, Depeche Mode oder Franz Ferdinand Rezepte der Sparks umsetzten, waren sie selbst schon wieder ganz woanders. So ist auch ihr jüngstes Werk „A Steady Drip, Drip, Drip“ eine Schatztruhe voller Überraschungen. Mit eclipsed sprach Sänger Russell Mael über das neue Album, ein langjähriges Musical-Projekt sowie ihre Definition von Erfolg.

eclipsed: Eure neue CD klingt wie ein Musical, in dem du alle Rollen selbst spielst.

Russell Mael: Das kann gut sein. Der Grund für die stilistisch breite Aufstellung liegt womöglich darin, dass wir mit dem Regisseur Leos Carax an dem Musical-Film „Annette“ mit Adam Driver und Marion Cotillard arbeiten. Wir haben mit diesem Projekt vor acht Jahren begonnen und befinden uns jetzt in der Postproduktion. Das Musical erzählt natürlich eine Geschichte, der Arbeitsprozess kann sich aber durchaus auf das neue Sparks-Album ausgewirkt haben. Die Auswahl der Themen, die Gestaltung und Umsetzung der Songs und nicht zuletzt mein Gesang im Film könnten unsere Psyche während der Arbeit an der CD besetzt haben.

eclipsed: Eure Platten hatten bislang stets eine musikalische Klammer. Auf der neuen CD scheinen aber die Texte das verbindende Element zu sein. Jeder Song ist wie eine Maske, hinter der sich das Porträt eines bestimmten Aspekts der gegenwärtigen US-amerikanischen Befindlichkeit verbirgt.

Mael: Wir verwenden viel Zeit und Sorgfalt auf die Details unserer Texte. Bei einem Großteil der Popmusik geht es eher um den Klang der Texte als um ihre Inhalte. Wir versuchen, in jedem Song eine Einheit aus textlichen und musikalischen Inhalten zu erreichen. Beim Schreiben der Texte war uns sicher nicht vollständig bewusst, dass sich ein roter Faden durch sämtliche Songs des Albums ziehen würde. Aber das ergibt sich dann einfach aus dem Prozess. Auch wenn es keine offensichtliche Handlung gibt, befassen sich doch alle Texte mit der Natur des Menschen. Wir müssen nicht bestimmte Ereignisse ansprechen, um auf diese höhere Ebene der Wahrnehmung zu gelangen. Die Zeile „Please don’t fuck up my world“ im Opener „All That“ ist von vielen als Kommentar zum Klimawandel verstanden worden. Ja, der Song kann so aufgefasst werden. Aber wir haben ihn viel breiter angelegt, denn es geht ja noch viel mehr schief in unserer Welt. Neben der politischen Lesart kann es in diesem Song aber auch um eine zwischenmenschliche Beziehung gehen. Der Hörer hat die Freiheit, sich aus einem Lied zu nehmen, was immer er will. Starke Songs waren schon immer vielfältig interpretierbar.

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