Fast wäre die Karriere des damals 27-jährigen Udo Gerhard Lindenberg die Hamburger Elbe hinabgeflossen. Die Orientierung am hanseatischen Geist sowie die innovative Verwendung deutscher Sprache in der Rockmusik bedeuteten für den Panikrocker 1973 dann aber den nationalen Durchbruch. „Alles klar auf der Andrea Doria“ verhalf damit auch in ungeahnter Weise deutscher Jugendsprache nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Comeback bis heute. Wir beleuchten Entstehung sowie Wirkung des Kultalbums und lassen auch unseren Udo zu Wort kommen.
Als Schlagzeuger in Altstadtkneipen und Nachtclubs eines US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkts nahe Tripolis fing alles an. Sein Traum war damals, auf Kreuzfahrtschiffen zu spielen. Lindenberg hatte bereits eine Karriere als versierter Schlagzeuger bei Jazz- und Krautrockbands wie Free Orbit (mit Peter Herbolzheimer) oder Motherhood und Passport (beide mit Klaus Doldinger, legendär die Titelmelodie zum ARD-„Tatort“) gestartet. Doch er wollte höher hinaus, hatte auch Ambitionen als Sänger.
Statt Schlagzeug Taktstock: Trommler mit Solo-Ambitionen
Das Debüt „Lindenberg“ (1971), noch vollständig auf Englisch gesungen, ging komplett in die Hose. „Daumen im Wind“ (1972) war nur dank der Single „Hoch im Norden“ ein Achtungserfolg. Immerhin: Plötzlich war alles auf Deutsch, und die Hansestadt Hamburg hatte sich in Lindenbergs Songbook eingeschrieben. Am 13. August 1973 gründete Lindenberg sein berühmtes Panikorchester: „Viele von denen sind treue Freunde – durch dick und dünn und nicht durch dick und doof.“ (Interview mit dem „Merkur“, 2023) Doch der eigentliche Urknall deutscher Rockmusik folgte im Dezember mit „Alles klar auf der Andrea Doria“. Rock mit deutschen Texten hatten davor bereits die Nürnberger Pioniere Ihre Kinder, die Berliner Anarcho-Rocker Ton Steine Scherben sowie die DDR-Band Team 4 gemacht, allerdings handelte es sich in den westdeutschen Fällen um Politrock. Lindenberg stieß jedoch in ein massentaugliches Vakuum, das er als Erster besetzte. Zwischen Rock, dem Jazz seiner Jugendjahre und anspruchsvollem Schlager sprach er die deutschsprachigen Hörer an, die nach der Zäsur des Nationalsozialismus wegen der Amerikanisierung der Popwelt und ihrer Sprache ausgehungert waren ...