Band im Wandel - PALLAS präsentieren sich nach langer musikalischer Wanderschaft frischer denn je

24. Februar 2015

Pallas Neoprog

Als die schottische Neoprogband Pallas 1980 aus der Taufe gehoben wurde, ahnte niemand, dass sie vier Jahre später mit ihrem Debüt „The Sentinel“ ein Werk für die Ewigkeit erschaffen würde. Mit Marillion und IQ gehörte sie zur Speerspitze dieses Genres. Ihre Konzerte waren und sind ein wahrhaft pompöses Vergnügen für die Sinne. Doch ihre Erfolgssträhne war nur von kurzer Dauer. Als der Sänger Euan Lowson die Band 1986 verließ, war zunächst Schluss. Erst 1999 tauchten Pallas wieder auf, mit Alan Reed am Mikro und Colin Fraser an den Drums. Drei Studioalben folgten, die kommerziell gesehen nicht mehr an die Anfangszeit heranreichen konnten, aber als absolute Geheimtipps des Genres gelten. 2010 ging Reed wieder eigene Wege, und Paul Mackie stieß dazu. Mit ihm spielten Pallas zwei Platten ein, zuletzt „wearewhoweare“. 2015 setzt die Band sich zusammen aus den drei Urmitgliedern Ronnie Brown (Keyboards), Niall Mathewson (Gitarre) und Graeme Murray (Bass) sowie Fraser und Mackie.

eclipsed: 2014 war ein ereignisreiches Jahr für Pallas. Was waren eure persönlichen Highlights?

Ronnie Brown: 2014 war ein außergewöhnliches Jahr, da wir keine Gigs spielten, aber wir verbrachten sehr viel Zeit im Studio. Es macht schon Spaß, sich ganz der Entstehung eines Albums zu widmen und sich nur auf eine Sache zu konzentrieren. Wir hatten alle eine allgemeine Vision, wie „wearewhoweare“ klingen soll.

Niall Mathewson: Mein persönliches Highlight war die Aufzeichnung des Stücks „And I Wonder Why“. Ich frage mich heute noch, warum es sich so anders angefühlt hat als alles andere, das ich mit Pallas erschaffen habe. Ein anderes Highlight war, als ich zum ersten Mal die Grafik vom „wearewhoweare“-Album sah. Einfach wunderschön.

eclipsed: Mit dem Album habt ihr euch noch weiter von eurem alten Sound entfernt. Wie kam es zu diesem Kurswechsel?

Brown: „wearewhoweare“ empfinde ich viel mehr als eine Art Entwicklung innerhalb der Band. Aber ich glaube, ich würde das auch mit Blick auf jedes andere Album sagen. Paul ist ein erfrischendes neues Element in der Band. Er hat eine fast schon perfektionistische Art und Weise, an die Dinge heranzugehen. Als wolle er jedem Song ein Qualitätssiegel aufdrücken.

Colin Fraser: Es war das erste Album, bei dem Paul von Anfang an in den Songwritingprozess involviert war. Also stand am Ende ein Album, bei dem wirklich jeder seinen Anteil zur Entstehung beigetragen hat.

Mathewson: Paul hat sicherlich frischen Wind in die Band gebracht. Aber wir haben uns alle sowohl individuell als auch als Gruppe enorm weiterentwickelt.

eclipsed: Wie groß ist der Unterschied zwischen den Songs während des Schreibprozesses und denen des fertigen Produkts?

Fraser: Massiv, für mich jedenfalls. Manchmal zum Besseren, manchmal aber hat man das Gefühl, dass unterwegs doch etwas verloren gegangen ist.

Brown: Ich finde eher, dass sich die meisten Songs während des Schreibprozesses überhaupt nicht verändern. Einige unterscheiden sich vielleicht ein wenig.

Mathewson: Ich denke, dass sich alle Songs bis zur Fertigstellung ändern. Einige mehr, andere weniger. Das kann man jetzt nicht so verallgemeinern.

eclipsed: Eure Musik war schon immer sehr emotional. Welche Emotionen beschreiben eure Musik am besten?

Paul Mackie: Aus der Sicht der Musik, im Gegensatz zur Lyrik, könnte man sagen von dramatisch bis opulent.

Fraser: Bombastisch. Es ist ein Zustand des Geistes und des Herzens.

Brown: Auf „wearewhoweare“ herrscht erstmals keine Grundstimmung vor. Es konzentriert sich auf Themen, die uns alle betreffen, wie Liebe, Altern oder Verlust. Aber auch ein bedeutender Teil unseres eigenen Lebens ist mit drin, zum Beispiel Angst, Selbstzweifel und natürlich aktuelle Themen wie Macht und Politik.

Mathewson: Ich bin mir nicht so sicher, ob ich unserer Musik ein bestimmtes Gefühl zuschreiben kann, aber wenn das Wort Zufriedenheit ein Gefühl darstellt, dann würde dies am ehesten zutreffen. Werden bei Pallas Entscheidungen eigentlich demokratisch getroffen?

Mackie: Ich muss Niall immer zuerst Tee und Kuchen bringen, nach einer Weile findet er meine Vorschläge dann auch interessant. (lacht)

Brown: Ganz klar demokratisch. Aber wie in jeder Band gibt es etwas dominantere Persönlichkeiten, und die kriegen ihre Vorschläge auch besser durchgeboxt. Wir sind sicher nicht immer alle einer Meinung, wenn dies der Fall ist, führen wir Gespräche und treffen uns meist in der Mitte.

Mathewson: Pallas sind eine Demokratie. Aber manchmal gewinnt auch der, der am lautesten schreit. (lacht)

eclipsed: Wenn man schon so lange Musik macht wie ihr, wie vermeidet man, dass Ideen recycelt werden?

Brown: Das ist ganz einfach. Wir sind fünf komplett verschiedene Individuen. Ich neige immer dazu zu sagen, dass es keinen typischen Pallas-Sound gibt. Es mag zwar Leute geben, die das anders sehen, aber für mich klingt jedes Pallas-Album anders.

Mackie: Ich habe des Öfteren Probleme mit den Melodien, bis mir jemand ein paar solide Riffs präsentiert, ab da zeigt sich mein Ideenreichtum.

Fraser: Manchmal haben wir unbewusst ältere Ideen in unseren Songs verarbeitet. Aber ich finde das nicht unbedingt als eine schlechte Sache.

Mathewson: Ich denke, dass die Art und Weise, wie wir als Musiker wachsen, die Musik frisch erhält. Regel Nummer eins: nie aufhören zu lernen. Regel Nummer zwei: Fürchte dich nicht davor, musikalische Risiken einzugehen.

Interview: Mike Dostert