PHILIP SELWAY - Weatherhouse

Kategorie: CD-Reviews | Genre: Artpop/Pop | Heft: Jahrgang 2014, eclipsed Nr. 164 / 10-2014 | VÖ-Jahr: 2014 | Wertung: 8/10 | Label: Bella Union | Autor: AS


Schlagzeugern gesteht man ja oft nur wenig bis gar kein harmonisches Verständnis zu, geschweige denn Songschreiberqualitäten. Umso spannender, wenn ein Vertreter dieser Zunft ein Soloalbum vorlegt, mit dem er diese Voreingenommenheit ad absurdum führt. So geschehen 2010, als Radiohead-Trommler Philip Selway mit „Familial“ lupenreinen, leidenschaftlichen Akustikpop präsentierte, der allerorten Beachtung fand und mit den musikalischen Experimenten seiner Stammband rein gar nichts zu tun hatte. Nun hat der 47-jährige Engländer mit denselben Leuten, die ihm bereits bei der EP „Running Blind“ (2011) aushalfen – Fridge-Bassist Adem Ilhan und Multiinstrumentalistin Quinta (u. a. Sidekick bei Bat For Lashes’ Tour mit Radiohead) –, neues Terrain erkundet. Oder sollte man besser sagen: neues altes? Denn mit „Weatherhouse“, das im Radiohead-Studio in Oxfordshire entstanden und von dem walisischen Toningenieur und Experimentalpop- Kundigen David Wrench abgemischt worden ist, nähert sich Selway wieder ein bisschen seiner Stammformation an. Hier verbinden sich in Melancholie schwelgende Popmelodien mit sphärischen Gitarrenlicks und manisch- hypnotischen Electrosounds, als hätten sich Babybird und Massive Attack vermählt. Der Opener „Coming Up For Air“ ist dafür das beste Beispiel, brennt er sich doch spätestens beim dritten Hören in die Gehirnwindungen ein. „Miles Away“ bewegt sich seinem Titel entsprechend noch weiter von gängigen Popklischees weg: Hier werden der zuckersüßen Gesangsmelodie verstörende Stakkatoklänge, die man auch bei Throbbing Gristle verorten könnte, gegenüberstellt. In den zehn Stücken, die sich auf achtunddreißig Minuten verteilen, löst sich auf lustvolle Weise und immer wieder neu die Wirklichkeit auf.

Top-Track: Coming Up For Air

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